Das Band der Magie
sich gerade mit Gewalt aus meiner Umklammerung lösen, da sah ich bereits die Hufe des Waris in mein Gesichtsfeld trampeln. Es röhrte uns eine Begrüßung entgegen.
„Aeri, bitte, lass mich …!“ Weiter kam Keelin nicht, denn der Reiter musste im vollem Galopp von seinem Tier gesprungen sein und hielt sich nicht großartig mit Begrüßungsreden auf: Er warf sich direkt auf uns, als müsse er uns fangen.
Vielleicht war das ja auch so.
Auf jeden Fall legten sich lange Arme erst um mich und dann um Keelin, umschlangen uns einfach beide. Ich keuchte erschrocken, als ich so unvermittelt zwischen zwei Männerbrüsten gefangen war.
Hallo? Mal ein bisschen sanfter, ja?
Der Fremde klang etwas verrückt, weil er in einem fort: „Oh, Keelin, mein lieber Keelin, Keelin“, murmelte. Der Angesprochene, erst stocksteif wegen der stürmischen Begrüßung, entspannte sich merklich, ließ mich zumindest mit einem Arm los und erwiderte die Umarmung.
„Vater“, sagte er leise. Ich hörte ganz deutlich, wie seine Stimme zitterte.
Ich wollte ja wirklich die Familienzusammenführung nicht stören, aber der Vater drückte unangenehm auf meine Seite. Bevor ich mich aber beschweren konnte, ließ der Fremde uns los. Ich sah eine Hand, die Keelin über die Wange strich, eine riesige Männerhand, und versuchte, den Kopf zu drehen.
Nein, keine gute Idee. Die Welt war ohnehin nur auf einen Stecknadelkopf verkleinert.
Der Fremde hatte mich offenbar erst jetzt gesehen, denn er gab eine Mischung aus Keuchen und Schreckensschrei von sich. „Bei allen Geistern. Wen hast du denn da bei dir?“
„Das ist Aeri, Vater. Sie ist verletzt. Ein Ast hat bei einem Sturm ihre Seite durchbohrt, seitdem verliert sie Blut. Kannst du sie zu Liah bringen?“
Da wurden beide ganz still. Der Vater musterte offenbar seinen Sohn, ich konnte die plötzliche Anspannung deutlich spüren, obwohl ich nicht richtig sehen konnte. „Warum bringst du sie nicht selbst zu ihr? Komm mit uns!“
„Ich kann nicht. Nicht so! Es zieht und zerrt immer noch an mir herum. Ich kann es weiterhin nicht kontrollieren und verwandele mich ständig. Es würde das Rudel nur aufregen … und du würdest wieder verzweifeln.“
„Ich verzweifle, wenn mein Sohn jahrelang verschollen bleibt, nicht, wenn er immer mal wieder als Verwandelter herumläuft.“
Ich spürte durch Keelins Arme, dass er vehement den Kopf schüttelte. Dann sagte er überraschend sanft: „Es geht mir schon deutlich besser. Bis vor kurzem habe ich mich nur für wenige Sekunden verwandelt, jetzt bleibe ich tagelang ein Mar. Ich komme zur Ruhe. Gib mir nur noch ein bisschen Zeit. Aber jetzt nimm bitte Aeri. Sie verblutet uns sonst, während wir miteinander sprechen.“
Ich machte mich ganz steif und bereitete mich darauf vor, um Keelin zu kämpfen. Ihn loslassen? Niemals! Womöglich fand ich ihn dann niemals wieder.
Keelins Vater schien auch noch nicht bereit zu sein, mich einfach zu übernehmen und seinen Sohn ziehen zu lassen. Er packte ihn an den Schultern und rüttelte ihn durch. „Die Zeit kannst du dir doch auch bei uns nehmen. Bitte, Keelin! Du musst zurückkommen!“
„Weil du Narr deinen Status abgegeben hast?“ Wow. Das klang bitter und ziemlich frech. Und der Satz saß: Keelins Vater sackte in sich zusammen.
„Du kannst dir nicht vorstellen, wie es war, euch alle zu verlieren. Sie tot zu wissen, war ja schmerzlich genug. Aber dich so verzweifelt zu sehen und dann nicht zu wissen, ob du überhaupt noch lebst oder ob es dir gut geht oder ob du nicht in Gefangenschaft geraten bist … das war schrecklich.“
Keelins Vater räusperte sich, weil seine Stimme zu kippen drohte. „Wir konnten dich nicht mehr spüren, weißt du? Von einem Tag auf den anderen nicht mehr. Aber dann, im letzten Frühjahr, zur Schmetterlingszeit, da warst du auf einmal wieder da, so stark wie noch nie.
Zu diesem Zeitpunkt hatte ich allerdings bereits meinen Posten geräumt. Es ist jetzt schwer, ihn zurückzubekommen. Ich würde Mahedan nur einen weiteren Grund geben, Tristan oder mich oder dich herauszufordern.“
„Mich herauszufordern?“
„Durch meinen Rücktritt hat Tristan erst mal die Stellung als Prinz bekommen. Wir dachten, du wärst tot. Mahedan wollte das anfechten und hätte es wohl auch getan, aber dann spürten wir dich wieder. Seitdem …“
„… bin ich der Prinz. Ja, ich habe es auch bemerkt. Dank eines fremden Rudels, das mich herausgefordert hat. Pech für sie. Aber, Vater, ihr habt euch
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