Das Band der Magie
wollte schon wieder aufspringen und mich weiter tragen, aber ich hielt ihn in der Bewegung auf.
„Es tut mir leid, wenn ich dir gestern den Eindruck vermittelt habe, dass ich dich für herzlos halte. Es ist nur … es waren mindestens zehn Wölfe. So viele, die jetzt aufgrund eines einzigen Befehls sterben werden.“
„So ist das mit den Befehlen.“
„Und sie können sich nicht lösen? Auch nicht, wenn ihr Leben davon abhängt?“
Keelin schüttelte den Kopf.
„Das ist … krass.“ Ich ließ mich von Keelin hochziehen und stand dann schwankend vor ihm. Die Welt drehte sich ein bisschen. Er hielt mich an den Schultern fest.
„Ich möchte nicht, dass du mich für ein Monster hältst!“, sagte er leise. Er klang unsicher.
„Das tue ich auch nicht!“, versicherte ich schnell. „Das Ganze war nur ziemlich unheimlich für mich, weißt du? Als Wolf hast du noch nicht mal ein Kaninchen töten können … und jetzt das.“
Das schien ihn zu kränken. Er ließ mich los und machte einen Schritt von mir fort. „Keelin, der Wolf, wäre dir also lieber, oder was?“
„Nein! Ich versuche nur, dich als Mensch zu sehen, weißt du?“
„Ich bin kein Mensch.“
„Das weiß ich! Wie nennt man das denn sonst?“ Ich wurde plötzlich verzweifelt und kam mir so dumm vor. „Wenn du in deiner menschlichen Gestalt bist, aber trotzdem ein Magiewesen auf zwei Beinen, was sagt man dann zu dir?“
„Dann bin ich ein Mar. Ein Magiewesen mit menschlichen Zügen. Ein Mar. Aber kein Mensch. Du bist auch eine Mar. Abgeleitet von den Mae. Sie waren die ersten, die menschliche Züge angenommen haben, um sich unterhalten zu können.“
Zumindest das hatte man mir bereits erzählt.
„Also: Ich versuche nur, dich als Mar kennenzulernen. Ich habe dich ja nur als Wolf erlebt. Entschuldige, falls ich dich verletzt habe.“
Wir musterten einander unsicher und zum ersten Mal erlebte ich, welche Gefühlsverwirrungen eine hitzige Diskussion und ein völlig entgleistes Thema auslösen konnten.
Zu meiner Erleichterung seufzte Keelin dann abgrundtief und sagte: „Du hast mich nicht verletzt. Es ist nur … ich fühle mich so durcheinander, nur halb bei mir. Es ist, als wüsstest du alles über mich, nur ich kaum etwas über dich. Und doch kenne ich dich, bis tief in meine Seele. Ich KENNE dich – und doch auch wieder nicht.“
Ich war verwirrt. Was wollte er denn damit sagen?
„Ich mache zwischen dir, dem Mensch … dem Mar und dir, dem Wolf, keinen Unterschied!“, sagte ich in die entstandene Stille hinein. Das stimmte schon, war aber auch nur die halbe Wahrheit.
Er spürte das natürlich und sah mich skeptisch an. Ich war aber nicht bereit, dieses Thema zu vertiefen.
Nie im Leben hätte ich ihm gesagt, dass ich den Wolf als Freund ansah – und den Mar am liebsten als … mehr als das.
Ich wurde rot. Super.
Keelin wirkte plötzlich hilflos und versuchte offenbar, die Situation zu entschärfen. Unruhig fuhr er sich durch die Haare und zuckte genervt mit den Schultern, um das Gespräch damit zu beenden. „Wir müssen los!“, sagte er.
Ich ließ mich wieder huckepack nehmen und nahm mir vor, mich möglichst leicht zu machen. Außerdem versuchte ich, ihn nicht zu sehr zu würgen.
„Wie weit ist es noch bis Alkamir?“
„Drei Wochen, wenn ich ein Mar bleibe. Als Wolf wäre ich schneller.“
Mir war Keelin, der Mar, eigentlich ganz recht. So waren wir zwar langsamer, aber ich bekam ein paar Fragen beantwortet.
„Bist du wirklich ein Prinz?“
„Nein.“
„Aber Dajun hat gesagt…“
„Ich weiß, was Dajun gesagt hat. Er war ein Narr. Und wie viele andere Narren ist er jetzt ein toter Narr.“
Das klang ziemlich hart – und ziemlich nach Themawechsel. Ich konnte aber nicht anders: Ich wollte Antworten. „Dann war dein Vater der Anführer des Rudels?“
„Ja.“
„Und das macht dich zum Prinzen?“
Keelin seufzte, aber ich hatte ihn. Er musste mir jetzt antworten. „Der Begriff Prinz hat nichts damit zu tun, dass ich adelig bin oder so. Der Anführer aller Rudel zusammen ist der König. Ein Rudelanführer ist ein Prinz. Der Sohn eines Prinzen … ist nichts. Einfach nur ein Gefolgsmann, ein Rudelmitglied unter Rudelmitgliedern. Zumindest so lange, bis der Vater stirbt oder zurücktritt.“
„Wer führt denn dann dein Rudel an, wenn dein Vater es nicht mehr tut und du es auch nicht machst?“
Darauf folgte Schweigen. Offenbar war das der Knackpunkt. Ich gab aber nicht so schnell auf. „Dann will
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