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Das Band spricht Bände

Das Band spricht Bände

Titel: Das Band spricht Bände
Autoren: Carter Brown
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ein
paar Sekunden lang gleichgültig, dann zuckte er die Schultern. »Nicht zu
glauben, was es für Menschen gibt. Ich hatte eine Tante, die pflegte jedesmal
auf den Hof zu rennen, wenn es geregnet hatte; da salzte sie dann die
Regenwürmer. Sie glaubte, so würden sie den Vögeln besser schmecken. Gehen wir
Boyd!«
    Wir gingen hinaus zu dem Wagen,
der mit dem Fahrer am Steuer vor dem Hotel wartete. Die beiden nahmen mich auf
dem Rücksitz in ihre Mitte. Solchen Respekt erweisen Polizisten nur jenen
Übeltätern, die ganz Schlimmes auf dem Kerbholz haben, und das hob meine
Stimmung kein bißchen.
    »Ich weiß, es ist eine dumme
Frage«, sagte ich versuchsweise, während sich der Wagen in den Verkehrsstrom
einordnete, »aber was hat dies alles zu bedeuten?«
    »Sie werden’s schon noch
erfahren«, sagte Donavan, und das war für die nächsten zwanzig Minuten unsere
gesamte Unterhaltung.
    Der Feldweg sah drei oder vier
Kilometer lang aus, als führe er nirgendwohin, dann plötzlich entschloß er
sich, die Anhöhe über einer Schlucht zu erklimmen. Auf dem Gipfel stand eine
einsame Hütte, und es schien ein großer Festtag für den Bewohner zu sein, denn
davor parkten sechs oder sieben Autos, einschließlich eines Krankenwagens.
Donavan stieg aus und hielt mir die Türe auf, während sein Kamerad um den
Kofferraum herum marschierte, nicht sonderlich eilig, aber doch rasch genug für
den Fall, daß ich zu Dummheiten neigte. Die Gruppe uniformierter Polizisten
trat beiseite, als wir die Veranda erstiegen und durch die offenstehende Tür
ins Haus gingen.
    Ich erkannte auf den ersten
Blick, daß der am Boden ausgestreckte Tote der Grund war, weshalb sich das
Wohnzimmer des allgemeinen Interesses erfreute. Die Leiche dieses Hünen lag auf
dem Rücken, den Kopf zur Seite gedreht, und die Gegend über dem linken Ohr war
geschwärzt und blutig. Im Geiste überprüfte ich die Beschreibung, die Shari mir
in der vergangenen Nacht gegeben hatte: Ende Vierzig, gebaut wie ein Catcher,
dichtes Haar mit nur wenig Grau; und die weitoffenen Augen, die blind auf die
Wand starrten, waren hellbraun.
    »Wissen Sie, wer das ist,
Boyd?« fragte Donavan.
    »Ich habe ihn in meinem ganzen
Leben noch nicht gesehen«, sagte ich der Wahrheit entsprechend.
    Sein Genosse fing zu lachen an,
hörte aber sehr schnell wieder auf, als der Sergeant ihn ansah. Wir standen
eine ganze Weile schweigend herum, und es schien, als habe niemand Eile,
irgendwohin zu gelangen oder irgend etwas zu tun. Endlich ergriff der Sergeant
wieder das Wort.
    »Wayland hieß er — Stirling
Wayland«, sagte er.
    »Jemand hat ihm aus einer Entfernung
von etwa einem halben Meter vier Kugeln in den Kopf gejagt. Ich denke mir, der
Täter muß ein bißchen nervös gewesen sein.« Er wies mit einer Kopfbewegung zur
Tür und wiederholte, was nach meinen Befürchtungen zu einer unangenehmen
vertrauten Redensart werden konnte: »Gehen wir, Boyd!«

8
     
    Die Zeit hatte das unsagbar
Häßliche an Lieutenant Schells Dienstzimmer nur noch verschlimmert — das sah
ich gleich, als ich zur Tür hineinkam. Die Wände hatten noch dieselbe
freundliche Farbe wie getrocknetes Blut, und die zweckentfremdete Lattenkiste,
die als Stuhl für Besucher dienen mußte, wirkte noch wackliger als damals. Der
Lieutenant selber war sich gleich geblieben — groß und hartgesotten, mit grauer
Haarbürste, die halb geschlossenen schwarzen Augen böser als je zuvor.
    »Wir haben ihn im
Hotelrestaurant aufgelesen, Lieutenant«, sagte Donavan. »Er hat gerade
gegessen, mit einer verrückten Blondine zusammen.«
    »Das sieht ihm ähnlich«, sagte
Schell.
    »Wir hielten eine kurze private
Totenwache in der Hütte, und Waylands Leichnam lag uns zu Füßen«, fuhr der
Sergeant fort. »Boyd behauptet, ihn noch nie im Leben gesehen zu haben.«
    »Danke, Pete.« Schell entließ
ihn mit kaum wahrnehmbarer Geste, und der Sergeant ging hinaus, wobei er die
Tür sachte hinter sich ins Schloß drückte. »Setzen Sie sich, Boyd.« Der
Lieutenant nickte in Richtung Lattenkiste.
    Ich ließ mich sehr vorsichtig
nieder, falls das verdammte Ding sich gerade jetzt in Einzelteile auflösen
wollte, und suchte nach meinen Zigaretten. »Eins muß man euch lassen,
Lieuteant.« Ich zeigte ihm mein Gebiß. »Ihr seid jeder anderen Polizeibehörde
in diesem Lande weit voraus. Andernorts repräsentiert die Polizei das Gesetz,
aber hier in Santo Bahia vertritt sie ihre eigenen Gesetze!«
    Die Augen hinter den halb
herabgesunkenen Lidern
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