Das Band spricht Bände
Sitzen
langweilig wird, dann können Sie immer mal ein Weilchen aufstehen. Und wenn Sie
es leid sind, herumzustehen, können Sie...«
»Ich habe einen ganz speziellen
Vorschlag, was Sie vielleicht könnten, Lieutenant«, sagte ich vorsichtig.
»Zunächst...«
Donavans Hand packte mich am
Ellbogen und katapultierte mich aus dem Büro, noch ehe ich zum interessanten
Teil meines Vorschlags gekommen war. Donavan brauchte ganze dreißig Sekunden,
um mich in eine Zelle zu schaffen und dort einzuschließen. Ich sagte mir, nun
sei es wohl zu spät, an andere Dinge zu denken wie beispielsweise daran, daß
ich meinen Namen in Diablo Bonanza ändern und nach Argentinien verreisen
könnte. Dort Gaucho sein, über die Pampas jagen und die Bolerokugeln wild überm
Haupte schwingen! Oder war es der Bolero, der über die Pampas jagte und seine
Gauchos wild überm Kopfe schwang? Im Augenblick schien mir dies eine rein
akademische Frage.
Eine Stunde danach war mir
klar, daß Schell recht gehabt hatte, als er von der beschränkten
Bewegungsfreiheit in einer Zelle sprach. Wie gesagt, man konnte sich hinsetzen
und zur Abwechslung wieder aufstehen, man konnte sogar ein bißchen herumgehen,
wenn man kleine Schritte machte und nichts dabei fand, alle drei Sekunden kehrt
zu machen. Zwei Stunden später hörte ich meinen Verstand mit sich selber reden,
und das war alarmierend, denn es ließ bereits auf Bewußtseinsspaltung
schließen. Dann drehte sich der Schlüssel im Schloß, und mein Bewacher riß die
Tür auf.
»Raus, Boyd!«
Das brauchte er mir nicht
zweimal zu sagen. Ich war schneller aus der Zelle als eine Stripperin in der
Gänsehaut, wenn sie von einer lebendigen Gans erschreckt wird, und dann folgte
ich ihm ins Büro des Lieutenants. Schell stand in der Tür, die Hände tief in
den Hosentaschen vergraben, und sein Gesichtsausdruck konnte nur mit dem Wort
rätselhaft beschrieben werden.
»Die Witwe höchstpersönlich?«
Bedächtig schüttelte er sein Haupt. »Sie kommen ganz schön herum, Boyd!«
»Was soll denn das nun wieder?«
Ich beäugte ihn mißtrauisch. »Ist’s Ihnen ohne mich langweilig geworden?«
»Ein kleiner Rat noch«, sagte
er. »Versuchen Sie ja nicht, die Stadt zu verlassen, denn wenn Sie das tun,
lasse ich Sie an die erstbeste Mauer konterfeien, mit .38er Kugeln. Lassen Sie
sich nichts zuschulden kommen — und dazu gehören auch Parksünden und
Geschwindigkeitsüberschreitungen — , sonst rücken Sie gleich wieder dort ein,
woher Sie soeben kommen. Und wechseln Sie das Hotel nur mit meiner Erlaubnis.
Da war doch noch etwas...« Er starrte ein paar Sekunden zur Decke mit dem
Fliegendreckmuster empor. »Ah, jetzt fällt’s mir ein! Wenn Sie gelegentlich mal
Zeit haben — zum Beispiel, wenn Sie demnächst Ihre 99 Jahre in San Quentin
absitzen — , dann müssen Sie mir Ihr Geheimnis verraten, wie man zum Supermann
wird.« Wieder schüttelte er im Zeitlupentempo den Kopf. »Meine Frau wäre Ihnen
bestimmt dankbar dafür.«
Ich ließ all seine Sprüche,
deren Sinn ich nicht durchschaute, außer acht und hielt mich an das eine, was
mir wesentlich schien. »Wollen Sie damit sagen, daß ich frei bin?« krächzte
ich.
»Nur für kurze Zeit, wie ich
hoffe!« knurrte er.
In dem Augenblick, als ich auf
den Bürgersteig hinaustrat, überwältigte mich das hehre Gefühl der Freiheit
derart, daß ich glatt an den beiden blonden Damen vorbeimarschiert wäre, die
draußen auf mich warteten — aber jede von ihnen packte einen meiner Arme, und
so bugsierten sie mich zu einem Wagen. Jackie Milne fuhr, ich saß neben ihr,
und zu meiner Rechten saß Shari Wayland.
»Ihr habt das geschafft?« Ich
blickte von einer zur anderen, wobei meine Augen lebhaft an einen Frosch
erinnert haben müssen. »Ihr seid ja große Klasse! Aber wie denn nur?«
»Shari hat heute nachmittag im
Radio gehört, daß Stirlings Leiche in einer einsamen Hütte gefunden worden sei«,
sagte Jackie. »Sie kam gleich zu mir ins Zimmer und erzählte mir alles, und als
sie sagte, die Polizei habe bereits einen Mann festgenommen, dachte ich mir,
das müßtest du sein.«
»Es hieß, Stirling sei in den
frühen Morgenstunden ermordet worden«, erklärte Shari ruhig. »Und da war das
Problem für mich...«
»Für uns, meine Liebe!«
berichtigte Jackie entschieden.
»Natürlich, Liebste«,
entschuldigte sich Shari. »Das Problem für uns lautete also, herauszufinden,
wie früh in der Frühe das wohl passiert war. Wie ich mich noch entsann, war
Weitere Kostenlose Bücher