Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Banner des Roten Adlers

Das Banner des Roten Adlers

Titel: Das Banner des Roten Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
Vom Netzwerk:
versuchten,
mich zu bestechen, um ihm Gründe zur Scheidung zu geben, sie schreckten auch vor
Erpressung und Drohungen nicht zurück. Ohne Erfolg. Daraufhin entführten sie mich
und verschleppten mich nach Mexiko in ein kleines, schmutziges Nest an
der
Pazifikküste, tausend Meilen von aller Zivilisation. Sie hatten die Macht, mir das
anzutun. Als Nächstes hörte ich, dass mein Mann tot sei. Aber ich wusste die ganze
Zeit über, dass er nicht tot war. Ich wusste, dass sie zu allem fähig waren, dass sie
keine Gewissensbisse kannten. Keiner von ihnen. Sie steckten alle unter einer Decke,
die ganze
Hofgesellschaft, dieser
stinkende Ausbund an Angst, Perversion
und
Krankheit, alle, ohne Ausnahme ...«
»Auch Graf Thalgau?«
     
»Diesen Namen kenne ich nicht. Wer ist das? Er ist jedenfalls nicht wichtig.« »Otto
von Schwartzberg?«
    »Ein Cousin. Er spielt keine Rolle. Alle verachteten ihn als unkultivierten, wilden
Mann. Ich meine die Verdorbenheit der Leute bei Hof. Der alte König wusste, was
mit Leopold geschah. Er brauchte Gödel oder einem anderen Höfling nichts zu
sagen; ein Nicken, ein Fingerschnippen« - sie machte die Geste nach - »und schon
verstanden sie ihn und führten es aus. Sperrt ihn ein, macht die Leute glauben, er sei
tot. Alles, was ich getan habe« - sie legte eine Hand aufs Herz, setzte sich aufrecht
hin und schaute ihn herausfordernd an - »war sauber. Dynamit und Kugeln sind
sauber.
Schmutzig
und
hinterhältig
ist
es
dagegen,
einen
Mann
so
lange
einzusperren, bis er den Verstand verliert. Ja, ich habe sie getötet. Und ich würde
weitermachen, bis sie alle tot sind und in der Hölle braten!«
»Sie haben nicht allein gehandelt. Sie hatten Komplizen.«
     
»Ich habe keine Komplizen. Ich hatte Geld. Wer Geld hat, kann sich Männer für alles
kaufen.« »Aber jetzt haben Sie keines mehr ...« Er hielt ihr die leere Geldbörse hin.
»Ich habe genug, um die Miete zu bezahlen.« »Und was dann?«
    Sie schaute ihn direkt an, und was ihn aus dunklen Augen anblickte, war eine
ratlose, unglückliche Seele. Das war keine aufgesetzte Miene, darauf berechnet, das
Publikum im Saal zu beeindrucken. »Ich weiß nicht«, gestand sie. »Ich möchte ihm
helfen.
    Seine alte Kinderfrau kann ihn da nicht herausholen. Sie hatte die Wache bestochen,
damit wir fünf Minuten allein mit ihm sein konnten. Aber sie fürchtet sich vor Gödel.
Ich nicht, aber ich habe keine eigene Macht.« Etwas schon, dachte Jim. Er schaute zu
Karl hinüber und wieder zu ihr.
    »Gut«, sagte er, »nun hören Sie mir zu. Er muss aus dieser verdammten Höhle - und
wir
holen
ihn
da
heraus,
noch
heute
Nacht.
Aber wenn
Sie glauben,
diese
Parasitenbrut um Gödel würde Sie auch nur in die Nähe des Throns lassen, dann
irren Sie sich gewaltig. Sobald Leopold wieder auf den Beinen ist, bringt die Bande
Sie ohne mit der Wimper zu zucken um. Nein, unterbrechen Sie mich nicht. Leopold
wird niemals König sein, aber er kann ein menschenwürdiges Leben führen, wenn
Sie ihm helfen. Und das bedeutet, wenn Sie uns helfen. Sie haben keine andere
Wahl. Das ist der einzige Weg, der Ihnen noch offen steht.« Sie kniff die Augen
zusammen. Sie schien sich gegen die Einsicht wehren zu wollen, wie ein Vogel mit
gebrochenem Flügel, der der Katze noch entwischen will. Doch er kann sich nicht
mehr aufschwingen, er dreht nur noch taumelnd und den Boden schlagend seine
Kreise. Und Jim, die Katze, hatte sich noch nie so grausam gefühlt. Sie neigte den
Kopf. »Was muss ich tun?«, fragte sie.
    Jim erklärte ihr den Plan. Die Unruhe in ihren Augen hatte sich gelegt, als ob sich ein
unsichtbarer Dämon in einen Winkel tief in ihrem Innern zurückgezogen hätte. Für
eine Weile war Carmen Ruiz reuig und hilfswillig; so willig und so warmherzig, dass
Jim sich gewaltsam daran erinnern musste, wer diese Frau war und was sie getan
hatte, und nun mochte er die Tatsachen kaum glauben.
    Im Konferenzzimmer neigte sich der zweite Tag der Verhandlungen seinem Ende zu
und der Vertrag war in seinen wesentlichen Zügen fertig. Das Erstaunliche daran
war, dass Adelaide die beiden Großmächte dazu gebracht hatte, gemeinsam die
Unabhängigkeit Raska-wiens zu
garantieren, sich zum Beistand zu
verpflichten,
wenn
es
bedroht
werden
sollte,
seine Grenzen
zu
respektieren,
Straftäter
auszuliefern, eine Zollunion zum freien Warenaustausch zu begründen, kurz, jeden
Anspruch auf das kleine Königreich, das zwischen ihnen lag, für immer aufzugeben.
    Die Sekretäre und Schreiber aller drei

Weitere Kostenlose Bücher