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Das Banner des Roten Adlers

Das Banner des Roten Adlers

Titel: Das Banner des Roten Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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einmal haben, dann kriegen wir diesen Schuft
Gödel dran. Wir bringen sie hinter Schloss und Riegel und besorgen für Leopold eine
angemessene Pflege; dann haben wir die ganze Sache in trockenen Tüchern. So
können wir's machen. Oder hast du eine bessere Idee?«
»Nein, das nicht. Übrigens, hast du gestern Nacht überhaupt geschlafen?«
     
»Eigentlich nicht, wenn ich es mir recht überlege«, antwortete Jim mit einem
Gähnen.
    »Solltest du dich nicht besser ein wenig ausruhen? Du bist sonst zu nichts zu
gebrauchen, schon gar nicht für Kämpfe in einer Höhle. Wir machen mit der Suche
weiter. Wenn wir sie vor morgen früh aufstöbern, schicke ich dir eine Nachricht.«
Jim klopfte ihm auf die Schulter.
»Altes Haus«, sagte er. »Ich richte Fräulein Winter deine Grüße aus, ja? Du hast es
ihr neulich wirklich angetan. Ich komme morgen wieder ins Cafe, verlass dich drauf.«
Dreizehn Die Glaskugel
    Ein Wetterumschwung stand bevor. Das Tief über Mitteleuropa brachte kalte Winde
aus Russland und mit ihnen die ersten Schneeflocken des Winters. Am zweiten Tag
der Dreiländergespräche
fiel
kein
bleiches
Sonnenlicht
durch
die
Fenster
des
Konferenzzimmers. Becky war aus schweren Träumen erwacht. Drei Spanierinnen,
die alle gleich aussahen, hatten sie gefangen gehalten. Jim war ihr zu Hilfe geeilt,
wie d'Artagnan angetan mit Federhut, Degen und einem lächerlichen falschen Bart,
von dem er behauptete, er trage ihn, um die Mücken abzuwehren. Sie belehrte ihn
verärgert, er verwechsle mousquetaire und moustique, doch er wollte nicht hören.
Darauf schüttelte sie ihn so heftig, dass sie davon aufwachte - und
mit dem
Kammermädchen kämpfte. Ihr kam es vor, als ob sie erst vor einer Minute ins Bett
gegangen wäre.
    Morgenbad, Frühstück, Gurgeln, dann hieß es, zurück ins Konferenzzimmer. Mochte
der Himmel auch grau sein, die gute Stimmung des vorangegangenen Tages hatte
darunter nicht gelitten. Es war, als ob sich ein
    Zauber über die Teilnehmer gelegt hätte, der sie freundlich, nachsichtig und darauf
bedacht machte,
sich in
ihren
Bedürfnissen entgegenzukommen
und Wege zu
suchen, um Hindernisse zu beseitigen. Und Becky, die alles aus nächster Nähe
miterlebte, sah deutlicher als jeder andere, wie viel von diesem Zauber Adelaides
Verdienst war. Sie verbreitete die gute Stimmung im Raum, sie inspirierte durch ihr
anmutiges Wesen den Geist der Ritterlichkeit. Beim Mittagessen fragte sich Becky,
ob ein Mann dieses Wunder ebenfalls vollbracht haben könnte, und beantwortete
ihre Frage mit Nein. Hieß das nun, dass Adelaides Erfolg gänzlich ihrem Charme
zuzuschreiben war? Konnte jede schöne Frau durch Flirten, Schmeicheleien und
schmachtende
Blicke
einen
historischen
Vertrag
zustande
bringen?
Selbstverständlich nicht. Nicht ihr Charme brachte das zuwege, sondern der strategische
Verstand
der
Spielerin,
ihre angeborene Hartnäckigkeit
und
ihre Schläue.
Die
Schönheit war nur ein weiterer Trumpf in ihrer Hand, ihn auszuspielen nur recht.
Becky, der es selbst an Schönheit mangelte, fühlte keinen Neid, nur Bewunderung.
    Am späten Nachmittag betrat ein Student das Café Flo-restan und ging zu den drei
Tischen mit dem immer noch wachsenden Stadtplan, der zerknittert, verschmiert
und bekleckst wie das schmutzigste Tischtuch der Welt vor Anton und zwei anderen
Studenten lag.
    »Ich bin mir nicht ganz sicher ...«, begann der Ankömmling. »Aber da ist so ein
kleiner Platz mit einem Brunnen, in dem jetzt totes Laub liegt, und einer Marmorfigur. Ich glaube, es könnte eine Statue von Paracel-sus sein. Sie sieht jedenfalls
aus wie das Bild von ihm im Museum. Eine Inschrift hat sie allerdings nicht.« »Wo
soll das sein?«, fragte Anton und griff müde nach seinem Stift.
    »Tja, also ...«, sagte der Student, beugte sich vor und versuchte, aus dem Stadtplan
schlau zu werden. »Ungefähr da, am Ende einer schmalen Gasse. Hohenheimplatz,
so heißt er. Ich könnte euch hinführen.« »Hohenheimplatz ?«
»Hieß nicht so ...«, begann einer der beiden Studenten.
    »Das ist er!«, bestätigte der andere. »Ich glaube, du hast ins Schwarze getroffen.
Lass dir ein Glas Rum geben. Oder gleich zwei. Karl und Jim sind in fünf Minuten
wieder hier. Du kannst doch zwei Glas Rum in fünf Minuten trinken, oder?«
    Eine halbe Stunde später zeigte der nur leicht beschwipste Student Jim und Karl den
kleinen Platz. So eng war hier gebaut, dass man den Ort fast für einen Hinterhof
hätte halten können. Eine mächtige Platane breitete

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