Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Banner des Roten Adlers

Das Banner des Roten Adlers

Titel: Das Banner des Roten Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
Vom Netzwerk:
zu gehen. Und dann ab in den
Wald.«
    Er gab allen die Hand, sie wünschten einander Glück, und dann ging die Gruppe der
Schattengestalten gemeinsam mit ihm den Hang zur Grotte hinunter. In dieser
Nacht war die Luft still, kein Wind peitschte das Laub der Bäume. Als sie unten am
Wasser ankamen, hörte Jim leisen Wellenschlag. Aus dem Wald drang der Ruf eines
Vogels, ein hoher ferner Schrei, und ein kleines Tier tauchte leise plätschernd ins
Wasser ein.
Sie hielten
an
und
ließen
Jan
und
seine drei
Kameraden
am
Grotteneingang Wache beziehen. Jim suchte im Schilf
nach
der
Fangleine des
Bootes. Karl, Anton und die Frau stiegen ins Boot, während Jim die restliche Schar
auf dem Pfad am Wasser entlang ins Dunkel der Grotte führte. Er hatte allen
eingeschärft, sich hart an der rechten Wand der Höhle zu halten; zwar hatten sie
auch Laternen dabei, aber die waren für den Rückweg gedacht.
    »Viel Glück, mein Junge«, flüsterte Jim Jan zu, nachdem sie im Dunkeln der Höhle
standen. »Wenn nötig, schrei aus voller Kehle.« »Mit Vergnügen«, flüsterte Jan
zurück. Auch mit Gefährten und einem klaren Ziel vor Augen war der Marsch durch
die dunkle Höhle kein Vergnügen. Unablässig herabtropfendes Wasser, die stickige
Luft,
der
glitschige
Felsen
unter
der
Hand
und
die ständige Furcht,
sich
an
herabhängendem Gestein den Kopf zu stoßen, alles das wirkte so bedrückend wie
beim letzten Mal. Hin und wieder hörte er etwas Dumpfes im Wasser zu seiner
Linken anstoßen; daraus schloss Jim, dass Karl das Boot nicht immer in sicherem
Abstand von der Felswand hielt, doch war das Geräusch nicht laut genug, um sich in
der Höhle fortzupflanzen. Außerdem war es beruhigend, den Freund so nah zu
wissen. Schließlich hielt Jim an. Vor ihnen auf dem nassen Felsen war ein schwacher
Lichtschein zu erkennen. Er hob die Hand und bedeutete dem Mann hinter ihm,
ebenfalls zu halten.
    »Vorsicht jetzt«, flüsterte er. »Wir sind fast da.« Da sie nicht wussten, wie stark der
Kerker bewacht war, mussten sie auf alles gefasst sein. Das Zweitwichtigste war, Jim
genug
Zeit
zum
Öffnen
des
Schlosses
zu
geben.
Das
Wichtigste
war
selbstverständlich die Überraschung.
    Jim zog seine Pistole. Den Blick fest auf den Lichtschein an der Felswand geheftet,
ging er langsam vorwärts und gab den anderen ein Zeichen, ihm zu folgen. Die
Szene, die sich ihnen bot, als sie um die Ecke bogen, war beleuchtet. Jim sah mit
einem Blick das flackernde Laternenlicht, den niedrigen Tisch, die beiden Soldaten,
die Karten spielten, und die zerlumpte Gestalt hinter den Gitterstäben.
Er ging lautlos auf sie zu und befahl: »Sitzen bleiben und Hände auf den Tisch!«
     
Die Soldaten fuhren erschrocken auf und schrien so laut, dass der Gefangene im
Kerker aufwachte und ebenfalls losschrie.
    Die anderen
Studenten
kamen
nach;
Karl
half
Carmen
Ruiz
beim
Aussteigen,
während Anton das Boot im Gleichgewicht hielt. Die Frau warf sich gegen die Gitterstäbe und rief den Prinzen leidenschaftlich bei seinem Namen. Er verkroch sich
furchtsam. »Keine Bewegung!«, befahl Jim den Soldaten. »Und keinen Mucks! Karl,
nimm meine Pistole und halte sie in Schach.«
    Ein anderer Student brachte die Gewehre der Soldaten in Sicherheit. Die saßen mit
schreckensbleichen Gesichtern und offenen Mündern da, nur einer wendete vorsichtig den Kopf und schaute zu, wie Jim sich am Schloss zu schaffen machte.
    »Bitte, Senora«, sagte Anton, »treten Sie einen Schritt beiseite, damit er arbeiten
kann ...« »Was habt ihr mit ihm gemacht?«, schrie sie plötzlich und fauchte wie eine
Tigerin die ängstlich zurückweichenden Soldaten an. Jetzt sahen auch die Studenten,
dass das Gesicht des Prinzen angeschwollen und von dunklen Flecken gezeichnet
war. »Wer hat gewagt, ihn zu schlagen?«
    »Senora«, sprach Anton laut und in bestimmtem Ton. »Wir holen ihn hier raus. Die
Schuldigen bekommen ihre Strafe, da können Sie sicher sein.« »Hab's gleich«,
murmelte Jim, der mit einem Stück Draht im Schloss stocherte. »Ein ganz neues
Schloss. Gut geölt, wie ich's mag -«
In dem Moment krachte ein Schuss hinter ihnen. Der Knall war durch das Echo im
Tunnel verzerrt, dennoch gab es keinen Zweifel. Dann fiel ein zweiter Schuss und
diesmal war Jans Stimme zu hören. Köpfe drehten sich, Pupillen weiteten sich. Die
Frau verstummte.
    Nach einer Schrecksekunde sagte Karl: »Heini, nimm drei Mann und komm Jan zu
Hilfe. Peter, nimm eine Laterne und lauf in die andere Richtung. Dort muss irgendwo
der

Weitere Kostenlose Bücher