Das Banner des Roten Adlers
ist mit dir?«, fragte sie. »Was hast du vor?« »Ich will kämpfen, Becky.
Kannst du das verstehen? Ich brauche den Kampf und die Gefahr. Weißt du, Sally
und
ich, wir
haben einmal
über
das Glück
gesprochen
und
was
wir
darunter
verstehen. Sie wollte nicht glücklich sein, das war ihr viel zu schwach, zu passiv. Sie
wollte mitten im Leben stehen, wollte aktiv sein. Sie braucht die Arbeit. Diese
Einstellung gefällt mir. Die Arbeit, die ich möchte, ist von der groben, schmutzigen
und
gefährlichen
Sorte.
Aber ich
möchte mehr.
Ich
möchte ein
Theaterstück
schreiben und dann eine Aufführung mit Henry Irving in der Hauptrolle sehen. Ich
möchte groß ausgehen, Havannas rauchen und hübsche Mädchen ins Cafe Royal
einladen. Ich möchte Poker auf einem Mississippi-Dampfer spielen. Ich möchte
sehen, wie Dan Goldberg ins Parlament einzieht. Ich möchte sehen, wie du auf die
Universität gehst und mit einem großartigen Examen abschließt. Und Sally ... Sally
kann tun, was sie will, bei ihr ist mir alles recht. Ich habe eine Menge Wünsche,
Becky.« »Adelaide hast du nicht erwähnt.« »Nein.«
Er wandte sich um und schaute ins Zimmer. Mit seinen funkelnden grünen Augen
und den zerzausten strohblonden Haaren sah er aus wie ein Kobold, den eine
ungestüme Energie unter Spannung hielt. Erst jetzt merkte Becky, dass etwas von
draußen seine Aufmerksamkeit erregt hatte: Vom Gang waren Schritte zu hören, die
näher kamen. Dann klopfte es an der Tür. »Herein«, sagte sie und setzte sich auf. Ein
ängstlich wirkendes Dienstmädchen machte die Tür auf.
»Verzeihen Sie die Störung, Fräulein«, sagte es. »Eine Nachricht für ...«
Verlegen wegen Beckys mangelhafter Bekleidung schaute das Dienstmädchen Jim an
und reichte ihm ein Papier.
»Danke«, sagte Jim. Sie knickste und verließ das Zimmer. Er entfaltete das Papier, las
es rasch und warf es gleich ins Feuer.
»Ich muss gehen«, sagte er. »Was wirst du tun?« »Kämpfen, was sonst!«
Er bückte sich und gab ihr einen raschen Kuss auf die Wange. Widerstreitende
Gefühle durchfluteten sie. So etwas wie »Was fällt ihm eigentlich ein?« war dabei,
auch Neid auf die klar vor ihm liegende Aufgabe, auf die instinktive Sicherheit, mit
der er sich der Tat verschrieb. Und ein angstvolles Schaudern. Ihre eigenen Träume
von Piratentum und Räuberleben schienen plötzlich kindisch und kitschig. Jim war
real. Sie stand auf und begleitete ihn zur Tür. Er drückte ihr etwas in die Hand. Es
war eine Pistole. »Schlaf diese Nacht in Adelaides Zimmer«, sagte er. »Und versteck
das hier. Wenn du sie gebrauchst, halte sie mit beiden Händen und mach dich auf
den Rückstoß gefasst. Wir sehen uns später.«
Und schon eilte er leichtfüßig davon. Das Dienstmädchen war noch in Sichtweite.
Becky versteckte die Pistole unter ihrem Morgenrock und rief es zu sich. »Ist Ihre
Majestät von der Oper zurück?« »Ja, Fräulein. Alle sind zurück außer Graf Thalgau.«
»Außer ... Aber wo ist denn der Graf?« »Ich kann dazu nichts sagen, Fräulein. Er ist
nicht mit der übrigen Gesellschaft zurückgekommen. Mehr weiß ich nicht. Haben Sie
sonst noch einen Wunsch?« »Nein, danke, Ilse. Das ist alles ...« Sie sah dem
Dienstmädchen nach, dann trat sie zurück in ihr Zimmer und suchte mit klopfendem
Herzen die Dinge zusammen, die sie für die Nacht brauchte.
Karl
und ein Dutzend Studenten
warteten zusammen
mit Carmen Ruiz in
der
zerfallenen Kapelle oberhalb des Grotteneingangs. Wie abgesprochen trugen alle
dunkle Kleider. Da auch kein Mondlicht durch den bedeckten Himmel drang, konnte
Jim nur ein paar verschwommene Gesichter im Dunkeln erkennen. Anton war
eingeschärft worden, ein wachsames Auge auf Carmen Ruiz zu haben. Jetzt sah ihn
Jim nur einen Schritt hinter der Spanierin stehen.
»Guten Abend, Senora«, begrüßte er sie, worauf sie ihm zunickte. »Alles ruhig?«,
flüsterte er Karl zu. »Nicht ein Laut. Nein, nicht ganz. Man kann ihn aus der Tiefe
rufen hören wie ein Troll oder Erdgeist. Hansi hält mit seiner Gruppe oben an der
Falltür Wache.« Jim hatte den oberen Eingang, unter Gebüsch versteckt, in dem
kleinen Wäldchen gefunden, wo er zum ersten Mal den schauerlichen Schrei gehört
hatte. »Alles bereit?«
»Alles bereit. Wir lassen Jan und drei andere am Grotteneingang zurück, damit uns
keiner in den Rücken fallen kann.«
Jim nickte. »Gut. Dort im Schilf ist ein Boot versteckt. Wir nehmen es und bringen
ihn damit aus der Höhle. Er ist zu schwach, um weit
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