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Das Banner des Roten Adlers

Das Banner des Roten Adlers

Titel: Das Banner des Roten Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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Treppenaufgang sein. Warte dort auf uns.«
    Jim schaute nicht einmal hoch. Während die anderen taten wie geheißen, zog er
kaltblütig den Draht aus dem Schloss, betrachtete ihn und gab ihm eine stärkere
Biegung. Dann steckte er ihn erneut ins Schloss. Von hinten waren wieder Schüsse
zu hören. Prinz Leopold kauerte in der Ecke, hielt sich an einer Wolldecke fest und
winselte wie ein geschlagener Hund. Jim sprach ihn an. »Ruhig Blut. Noch ein kleiner
Dreh und dann holen wir Euch hier raus, mein Prinz. Über die Treppe und dann
hinaus ins Freie.« Er redete beruhigend auf ihn ein, bis der Prinz langsam zu ihm
kroch. Noch mehr Schüsse fielen, jetzt näher. Schreie hallten im Tunnel wider.
    Das Schloss sprang auf. »Prinz«, sagte Jim, »Ihr müsst jetzt mit uns kommen. Das ist
Eure Pflicht.« Neben ihm stand Carmen Ruiz und zitterte. »Komm, Leo!«, flüsterte
sie. »Komm doch, mein Prinz!«
    Er kam an die Gittertür und blickte ängstlich in den Tunnel, wo jemand Befehle
schrie und von wo das Stampfen von Stiefeln immer lauter zu hören war. Jim packte
den Prinzen und zog ihn nach draußen; jetzt war keine Zeit für Zartgefühl. Den Mann
eingekeilt zwischen sich und Carmen, steuerte er an den beiden
    verdatterten Soldaten vorbei und eilte auf die Treppe zu, auf der Karl stand und ihm
Zeichen machte. Ein anderer Student stand mit einer Laterne neben ihm
und
schaute besorgt nach oben.
    »Sie sind gleich da -«, rief jemand von hinten aus dem Tunnel, doch gleich darauf
krachte ein Schuss oben auf der Treppe, ein Schrei ertönte und dann das Geräusch
eines herabkollernden Körpers.
»Vorsicht!«, rief Karl und gleich darauf fiel Hans aus dem Dunkel vor seine Füße. Tot.
    »Lauft!«, rief jemand verzweifelt von oben. »Lauft! Sie haben uns in eine Falle
gelockt -«
Das Boot trieb unbemerkt vorbei. Aus dem Augenwinkel sah Jim, wie die Frau die
Leine ergriff, das Boot ans Ufer zog und einstieg, mit einer Hand den Prinzen an
seinen Lumpen ziehend. Leopold glitt aus und fiel schreiend hin. Das Hemd riss und
Leopold rutschte, nun ohne Halt, über den schlüpfrigen Felsen. Anton bückte sich
und zog ihn wieder hoch. Das Letzte, was sie von der Frau sahen, waren ihr bleiches
Gesicht,
der
Mund
offen
zu
einem
lautlosen
Schrei,
und
ihre theatralisch
ausgestreckten Hände. Dann erfasste die Strömung das Boot und zog es in die
Dunkelheit. Jim fluchte.
    »Bringt den Prinzen!«, rief er und eilte zur Treppe. Wenn es ihm gelänge, sich nach
oben durchzukämpfen, könnten die anderen vielleicht mit Leopold fliehen. Mit
erhobener Pistole sprang er die Treppe hinauf und rammte seinen Kopf in den
Bauch des ersten Mannes, der ihm entgegenkam.
    Der Soldat brach unter Stöhnen zusammen. Jim griff nach der Falltür, die sich als
dunkle Kante vor dem fast ebenso dunklen Himmel abhob. Ein Körper lag vor dem
Eingang. Er schob ihn beiseite und im gleichen Augenblick traf ihn ein harter Schlag
am Kopf. Benommen fiel er und rollte ins kühle, nasse Gras. Schreie, der Schein von
Laternen, vorübereilende Schritte. Dann war er wieder auf den Beinen, duckte sich
und schoss in die Richtung, wo im Dunkeln Mündungsfeuer aufblitzte. Er hechtete in
Deckung, rollte sich ab und kam ein paar Schritte weiter wieder hoch und schoss
erneut.
Verschwommen
nahm
er
wahr,
wie der
Prinz,
erkennbar
an
seinem
zerrissenen Hemd, von zwei Gestalten, vielleicht Anton und Karl, aus der Falltür
gezogen wurde. »Lauft!«, rief er. »Lauft!«
    Dann Rufe um ihn herum, schwere Körper, die gegen ihn stießen und ihn zu Boden
drückten, und dann ein weiterer schmerzhafter Schlag auf den Kopf. Wer hat uns
verraten?, dachte er noch.
Fünfzehn Milchbart
    Becky wachte fröstelnd und mit steifen Gliedern auf dem kleinen Sofa am Fuß von
Adelaides Bett auf. Ihre Majestät schlief noch. Becky gähnte und streckte sich und
dabei stieß sie gegen die Pistole unter ihrem Kopfkissen. Die Waffe fiel mit dumpfem
Poltern auf den Boden, worauf Adelaide sofort die Augen aufschlug. »Wer ist da?«
»Ich bin's«, sagte Becky. Sie hob die Pistole auf und versteckte sie wieder.
     
»Wie das? Was machst du hier?«
    »Ich - Jim hat mich gebeten, hochzukommen und dich zu beschützen für den Fall,
dass - oh, ich weiß gar nicht. Wissen Majestät eigentlich, dass Sie schnarchen?«
Noch verschlafen zwischen weichen Kissen, warf Adelaide Becky einen verächtlichen
Blick zu und schloss die Augen.
    »Wo sind meine Wachen?«, murmelte sie. »Warum bewachen sie mich nicht? Wozu
sind sie eigentlich

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