Das Banner des Roten Adlers
der rostigen Halterung in der Mauer und
hämmerte mit einem Stück Brett auf die Tür ein, bis eine Stimme rief: »Hör sofort
auf mit dem Lärm! Wenn nicht, sorgen wir dafür!« Jim antwortete mit einem
wahren Trommelfeuer an Schlägen und einer Litanei von Flüchen, worauf der Träger
der Stimme es sich anders überlegte und losging, um sich weitere Befehle zu holen.
Nachdem Jim genug getobt hatte, kletterte er über die Reste seines Bettes und
versuchte, springend die Gitterstäbe vor dem kleinen Fenster über ihm zu erreichen.
Er kam zwar hoch genug, aber die steinerne Laibung war so schräg, dass er keinen
Halt fand. Er verwendete zehn Minuten darauf, aus den Resten der zerbrochenen
Pritsche eine Treppe zu bauen, doch sobald er sich mit seinem ganzen Gewicht
darauf stellte, brach sie zusammen. Dann tobte er wieder und teilte Fußtritte aus.
Von draußen fiel ein fahles Licht in die Zelle. Nach der Zeit, die seinen Berechnungen
zufolge verstrichen war, mochte es zehn Uhr morgens sein. Was den Ort betraf, an
dem er sich befand, so hätte es die Burg sein können, doch das vermutete er nur
wegen der Steinmauern. Jedes Gefängnis hätte solche Mauern haben können. Nach
einem weiteren energischen Tritt gegen die Tür machte er sich Platz auf dem
Fußboden und setzte sich.
»Denk nach«, ermahnte er sich selbst, »benutze deinen Verstand.«
Wenn er weder das Fenster noch die Decke erreichen und auch kein Loch durch die
Mauer kratzen konnte und wenn der Fußboden aus Stein war, dann blieb nur die
Tür. Die hatte
man geöffnet, um ihn hier einzubuchten, also musste man sie
irgendwann wieder öffnen. Er stand auf, um die Tür genauer zu untersuchen. Sie
war aus alter, schwerer Eiche gezimmert und besaß weder Schlüsselloch noch
Klinke. In Augenhöhe befand sich ein rechteckiges Fenster, so breit wie Jims Hand,
das
innen
mit
einem
starken
Drahtgitter und
außen
mit
einem
hölzernen
Schiebedeckel geschützt war. Dazwischen lagen die etwa drei Zoll, die die Eichentür
stark war.
Der Deckel war geschlossen. Mit dem Finger konnte er ihn nicht erreichen, aber
nach ein paar Minuten Arbeit an einem zerbrochenen Brett verfügte er über einen
langen Holzspan. Mit dem stocherte er durch das Drahtgitter, bis er den Deckel
einen Spaltbreit verschieben konnte. Nun schob er den Holzspan in den Spalt und
hebelte vorsichtig.
Nach fünf Minuten hatte er den Deckel beiseite geschoben. Der Anblick hatte wenig
Verlockendes: ein öder Gefängnisgang, der durch Licht erhellt wurde, das durch ein
hohes vergittertes Fenster am anderen Ende fiel. Keine Möbel, keine Wachen, nur
Türen, die in andere Zellen führten und die offen standen.
Also war er der einzige Gefangene. Das zu wissen konnte von Vorteil sein. Er schaute
sich die Schlösser an den anderen Türen an. Schwere eiserne Teile, die an der
Außenseite der Tür mit Krampen befestigt waren. Mittelalterlicher Murks, dachte er
verächtlich. Wenn das Schloss an seiner Tür genauso aussah, würde er es mit einem
Stückchen Draht im Handumdrehen knacken, vorausgesetzt, er könnte es erreichen
und er hätte den Draht. Er schob den Deckel wieder vor das Fenster, damit niemand
sah, dass er ihn bewegen konnte. Es könnte sich lohnen, so etwas geheim zu halten.
Er klopfte mit dem Holzspan an seine Zähne und schaute sich in der Zelle um: Hatte
er irgendetwas übersehen? Ja, seine Taschen. Leer, bis auf ein Taschentuch. Man
hatte ihm selbstverständlich das Klappmesser und den Dietrich abgenommen. Da
war nichts zu machen. Was trug er am Leib? Schuhe, Hosen, Gürtel, Hemd, Jacke,
Pullover ...
Sallys Handgestricktes! Und sogleich kam ihm eine Idee. Er konnte sich ein Grinsen
nicht verkneifen; all die Arbeit, die sie hineingesteckt hatte ... Leise pfeifend zog er
den dicken dunkelblauen Seemannspullover aus, setzte sich hin und begann ihn aufzutrennen.
Die Tür
des Burgvogtzimmers schloss sich hinter Becky und Adelaide und der
Schlüssel drehte sich im Schloss. »Jetzt sind wir also Gefangene«, stellte Becky fest.
»Und kalt ist es hier. Mist. Weißt du übrigens, dass mein Vater hier gefangen saß.
Gerade habe ich daran gedacht. Er starb -«
Plötzlich und auch für sie überraschend fing sie an zu schluchzen: nicht ihretwegen,
sondern wegen ihres Vaters, den sie kaum gekannt hatte und der in ebendiesem
Bau an Typhus gestorben war. Sie hätte für die Sache der Demokratie kämpfen und
seine Arbeit fortführen können, doch jetzt wurde alles zunichte gemacht und das
war ungerecht und
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