Das Begräbnis des Monsieur Bouvet
ins Wasser gegangen war. Da gab es jetzt keine Fliesen mehr mit nackten Körpern und Wasserhähne, die Tag und Nacht liefen, um diese kühl zu halten.
Vielleicht war es noch schlimmer. Man legte sie jetzt in numerierte Schubläden eines riesigen Kühlschranks. Der kleine Sardot weinte nicht. Auch sie weinte nicht.
»Seien Sie uns nicht böse. Wir tun nur unsere Pflicht.«
Noch nicht einmal böse sollte man ihnen sein? Lucas wurde plötzlich ganz verlegen.
»Kann ich hinaufgehen und das Zimmer aufräumen?«
»Die Tür habe ich versiegeln müssen.«
»Und drinnen liegt alles durcheinander?«
»Das ist doch gar nicht wichtig, glauben Sie mir. Ich komme bestimmt wieder. Schauen Sie, das ist eine sehr verwickelte Angelegenheit, da kommt wahrscheinlich noch einiges nach.«
Ganz allein war Monsieur Bouvet in diesem Kastenwagen weggefahren. Es war nicht einmal ein richtiger Leichenwagen gewesen. Das Haus leerte sich in wenigen Minuten. Journalisten standen noch ein Weilchen herum und stellten Fragen in der Hoffnung, noch irgendeine wichtige Information zu ergattern.
Auf dem Gehweg hielt sich Ferdinand nur noch mit Mühe auf den Beinen. Sie mußte ihn hereinholen und ihn gewaltsam zu Bett bringen. Er wehrte sich. Zum ersten Mal hatten ihn so viele Leute ernst genommen. Er hatte von Monsieur Bouvet erzählt, als habe er ihn seit Ewigkeiten gekannt, als seien sie die besten Freunde gewesen. Gott weiß, was für dummes Zeug er ihnen erzählt hatte! Ob das alles in der Zeitung stehen würde? »Halt still, ich will dir die Schuhe ausziehen.« Er hatte Angst vor ihr und wußte, daß sie im Stande war, ihn zu schlagen. Er war jedoch fest entschlossen, ihr zu entwischen, um in den Bistros des Viertels weiterzutrinken und seine wundervollen Histörchen zu erzählen. Sein Foto, er war dessen ganz sicher – auf jeden Fall hatten sie es ihm versprochen –, würde bald in der Zeitung erscheinen.
»Schön siehst du aus, brrr! Da kannst du dich darauf gefaßt machen, daß du wieder einen Anfall kriegst!«
Sie räumte seine Schuhe in den Schrank, schloß ihn ab, damit er sich nicht davonmachen konnte, falls sie ihre Loge zufällig einmal verlassen sollte. Durch das Fenster sah sie wieder den alten Clochard langsam vorübergehen. Aus seiner ausgebeulten Jackentasche schaute der Hals einer Einliterflasche heraus.
Das alles mußte sie gleich der Hausbesitzerin schreiben, die in Biarritz Ferien machte. Doch zuerst mußte sie schnell etwas essen. Sie begnügte sich mit einem Stück Käse, Brot und Kaffee, und sie hatte ihre Mahlzeit noch nicht halb verzehrt, da schnarchte Ferdinand schon.
Mrs. Marsh, die ihre Zeit meist mit irgendwelchen jungen Leuten in den Bars auf den Champs-Élysées verbrachte, hatte zu Rechtsanwalt Rigal gesagt:
»Er ist verrückt geworden im Kongo, verstehen Sie? Ich bin sicher, er wußte nicht mehr, was er sagte noch wer er war.«
Rigal hatte nicht widersprochen, weil es dumm war, sich mit einer Mandantin zu streiten, deren Fall etwas einbringen konnte. Aber er hatte da seine eigene Meinung. So ganz klar war sie allerdings nicht. Er hatte eine Frau, Kinder, eine bedeutende Kanzlei; vor langer Zeit war da eine Geliebte gewesen, die ihm so viele Scherereien bereitet hatte, daß ihn an manchen Abenden im Bett die Lust überkommen hatte, alles stehen- und liegenzulassen und sich auf und davon zu machen.
Aber das war ein undeutliches Verlangen gewesen. Anderen ging es sicher ebenso.
Wer weiß jedoch, ob diese Träumereien bei dem einen oder anderen bisweilen nicht über die bloße Möglichkeit hinausgingen?
Costermans machte es sich leichter. Für ihn mußte erst einmal bewiesen werden, daß Mrs. Marsh keinerlei Anspruch auf die Erbschaft hatte, und dann mußte sichergestellt werden, daß Cornelius alle Vorsichtsmaßregeln beachtet hatte, damit die Ouagi-Minen GmbH nicht in Schwierigkeiten geriet.
Lucas grübelte über den nächtlichen Einbruch nach, der nicht wie ein normaler Einbruch aussah, da er mit außergewöhnlicher Geschicklichkeit und Eleganz ausgeführt worden war.
Und er war gut vorbereitet gewesen, wie die Tatsache bewies, daß der nächtliche Besucher sich als der Akkordeonspieler ausgegeben hatte. Madame Jeanne konnte andererseits nicht mit Sicherheit sagen, ob er beim Betreten des Hauses einen Namen genannt hatte.
Aber das war auch egal. Er hatte den Zeitpunkt gut gewählt, weil er wußte, daß die Concierge in ihrem ersten Schlummer liegen und nicht lange fragen würde. Er hatte die
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