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Das Begräbnis des Monsieur Bouvet

Das Begräbnis des Monsieur Bouvet

Titel: Das Begräbnis des Monsieur Bouvet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Er ist heute morgen mit mehreren Inspektoren weggegangen.«
    Es waren noch keine zehn Minuten vergangen, da rief Lucas an.
    »Ich weiß nicht, was ich machen soll, Chef. Die Fotografen behaupten, sie können hier nicht richtig arbeiten, und möchten die Leiche zum Erkennungsdienst bringen lassen.«
    Und da sprach der Direktor, der das weiße Haus nie gesehen hatte, der noch nicht einmal von der Existenz der Concierge wußte, die schicksalsschweren Worte:
    »Bringen Sie ihn hin. Dann kommen Sie sofort hierher!«

5
    D as Gewitter, das ihren Nerven vielleicht Entspannung gebracht hätte, entlud sich nicht. Den ganzen Morgen war sie wie eine Katze gewesen, die unruhig um ihre Jungen herumstreicht.
    Sie war höflich, antwortete, so gut sie konnte, auf die Fragen, die man ihr stellte. Schon seit frühester Kindheit war sie zum Gehorsam erzogen worden, und diese Leute, die da in das Haus eingefallen waren, vertraten alle irgendeine Macht, so wie ihre Mutter, als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war, dann der Kaplan, der Vorarbeiter, die Hausbesitzerin und viele andere Menschen mit geringerer Machtfülle, wie jene uniformierten Männer, die Geld kassieren oder Zähler ablesen kamen.
    Als irgendwann jemand hinaufging, hörte sie, wie man im Vorbeigehen zu ihm sagte:
    »Herr Staatsanwalt …«
    Sie konnte noch nicht einmal mehr entscheiden, wer ins Haus durfte. Sie hatte nichts anderes zu tun, als die Fragen zu beantworten, die sie ihr fortwährend stellten, und zu versuchen, sich zu erinnern.
    »Strengen Sie sich an! Versuchen Sie sich zu erinnern! «
    Es war geradezu, als ob man sie verdächtigte, ihnen etwas zu verheimlichen.
    »Jeder hat doch irgendwelche Papiere, und wenn es auch nur ein paar sind.«
    Das klang ganz logisch. Sie hatte ja auch welche. Sie lagen in der Suppenschüssel des Services, das nicht benutzt wurde. Da lagen das Stammbuch und das Soldbuch ihres Mannes, dann noch ein paar schon vergilbte Zeugnisse.
    »Ich schwöre Ihnen, ich habe nie etwas gesehen.«
    Sie hatten Ferdinand betrunken gemacht, wahrscheinlich die Journalisten, die andauernd ins Bistro an der Ecke rannten, um zu telefonieren. Und dieser Schwachkopf kam sich ungeheuer wichtig vor. Er stand mit puterrotem Gesicht und hervorquellenden Augen mitten auf dem Gehweg, salbaderte und glaubte, er sei nun endlich eine wichtige Persönlichkeit geworden.
    »Als er hier eingezogen ist, hat er Ihnen da nicht erzählt, warum er sich gerade dieses Viertel ausgesucht hat und nicht irgendein anderes?«
    »Er hat mir überhaupt nichts erzählt.«
    Sie erinnerte sich daran, wie beeindruckt sie das erste Mal gewesen war, weil er ihr so kalt, so distanziert vorgekommen war. Wie man sich in den Menschen doch täuschen kann!
    All diese Fragen hatten ihr dennoch etwas bewußt gemacht, das sie bis dahin nur sehr undeutlich gespürt hatte.
    Die anderen, seien es nun die Sardots, die Massuets, die Buteaus oder der Akkordeonspieler, lebten alle aus Zufall oder Notwendigkeit hier. Sie auch. Manche waren in diesem Viertel geboren und wollten nicht wegziehen. Andere arbeiteten hier. Den Nachbarn ging es ähnlich. Sie kannte praktisch den ganzen Kai. Ein paar waren nur deshalb hergezogen, weil zufällig eine Wohnung zu erschwinglichem Preis frei geworden war. Auch ihr Leben hatten sie sich nicht selbst aussuchen können, wie auch Madame Jeanne nicht, der als kleines Mädchen nie der Gedanke gekommen wäre, daß sie einmal Concierge sein würde.
    So ganz begriff sie das alles noch nicht, aber es war doch so etwas wie eine Entdeckung für sie, eine aufregende Entdeckung.
    Je mehr man darüber nachdachte, desto klarer wurde es, daß Monsieur Bouvet freiwillig hier gelebt hatte. Mit allem, was ihm zur Verfügung stand, seinen Goldstücken, seiner Bildung, hätte er sich auch irgendwo anders niederlassen können, in einer Villa an der Côte d’Azur, in einem Schloß auf dem Land oder einem großen Herrenhaus auf den Champs-Élysées.
    Er hätte in einer modernen Wohnung leben können, in einem neuen Haus mit einem Badezimmer, vernickelten Wasserhähnen und Zentralheizung. Er hätte sich sogar einen Diener leisten können.
    Aber er war hierher gekommen, in dieses alte weiße Haus, das sie so sauber wie möglich hielt, wo sie nur nette Leute haben wollte, kleine Leute, die sich Mühe gaben, friedlich miteinander zu leben und sich nicht zu sehr auf die Nerven zu gehen.
    Sie wollte allein sein, um in aller Ruhe hierüber nachdenken zu können, aber würde sie diese Ruhe noch

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