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Das Begräbnis des Monsieur Bouvet

Das Begräbnis des Monsieur Bouvet

Titel: Das Begräbnis des Monsieur Bouvet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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vielen Jahren verschwunden war.«
    »Unter diesen Umständen …«
    »Nur haben wir Gründe zu der Annahme, daß auch Marsh nicht sein richtiger Name ist.«
    »Er hinterläßt wohl ein beträchtliches Vermögen?«
    »Wie beträchtlich, wissen wir noch nicht. Aber er hinterläßt in der Tat ein gewisses Vermögen.«
    »Setzen Sie sich doch bitte. Es ermüdet mich, mit jemandem zu sprechen, der steht.«
    »Ich bitte um Verzeihung.«
    »Können Sie mir sagen, wie Sie darauf gekommen sind, gerade mich aufzusuchen? Denn ich muß doch wohl annehmen, daß es kein Zufall ist. Die Polizei wird doch wohl nicht in ganz Paris an den Wohnungstüren läuten.«
    Er errötete nicht, denn das Blut zirkulierte nie so kraftvoll in seinen Adern, daß es an die Hautoberfläche hätte gelangen können. Seine Lippen aber zitterten ein wenig, und er wußte, daß der Augenblick gekommen war.
    Er durfte sich nicht einschüchtern lassen. Er saß hier nicht mehr einer Concierge oder einem Clochard gegenüber, sondern einer intelligenten Frau, vor der ihm seine bescheidene Herkunft deutlich zu Bewußtsein kam.
    Wenn er die Wahrheit sagte, würde er wahrscheinlich nie etwas von ihr erfahren. Er war sich aber auch bewußt, daß er schlecht lügen konnte und sie ihm auf die Schliche kommen würde.
    Er bemühte sich also, ein unbestimmtes Lächeln aufzusetzen, wie er es bei einigen seiner Kollegen gesehen hatte, und ohne etwas zu sagen, schüttelte er den Kopf.
    »Sie wollen mir nicht antworten?«
    »Entschuldigen Sie, Madame, aber es steht mir nicht zu, irgendwelche Ermittlungsergebnisse preiszugeben. Sie werden verstehen, ich tue nur meine Pflicht.«
    Sie zeigte weder Ärger noch Geringschätzung, sondern betrachtete ihn neugierig und mit einigem Respekt.
    »Sie dürfen mir also nicht sagen, was Sie wissen?«
    »Nein, Madame.«
    »Andererseits sind Sie aber gekommen, um etwas von mir zu erfahren? Ich höre. Was wünschen Sie von mir?«
    Das war seine Chance, wie es auch ausgehen mochte. Während seiner ganzen Laufbahn war er noch nie in einer solchen Lage gewesen. Er hatte oft davon geträumt, wie er mit einem ausgekochten Kunden ganz raffiniert zu Werke ging und die Partie gewann. Die Partien jedoch, die er wirklich gewonnen hatte, waren viel einfacher gewesen. Er hatte nur der Routine zu folgen und geduldig und hartnäckig am Ball zu bleiben brauchen.
    »Kennen Sie Monsieur Bouvet? Ich meine, kennen Sie den Herrn, dessen Bild Sie hier sehen?«
    »Haben Sie irgendeinen Grund anzunehmen, daß ich ihn kenne?«
    »Sagen Sie mir, Madame, hatten Sie die Zeitung, die Sie da in der Hand halten, schon vorher gelesen?«
    »Das ist möglich.«
    »Monsieur Bouvet hat am rechten Bein etwas unterhalb des Knies eine sternförmige Narbe, die ziemlich auffällig ist.«
    »Und diese Narbe soll ich schon einmal gesehen haben?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Wie ist diese Mrs. Marsh, von der Sie mir vorhin erzählt haben?«
    »Ich selbst habe sie nicht gesehen. Ich weiß, daß sie nicht mehr ganz jung ist, einmal sehr schön gewesen sein muß und sich darauf immer noch etwas zugute hält.«
    »Ist sie eine Dame?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Und ihre Tochter haben Sie auch nicht getroffen?«
    »Mit diesem Teil der Ermittlungen hatte ich nichts zu tun.«
    »Von wem haben Sie meine Adresse?«
    Sie kam hartnäckig immer wieder hierauf zurück. Sie hatte sich wieder gefangen und sprach in einem unverbindlichen Plauderton, so als bedeuteten ihre Worte nicht viel.
    »Was wissen Sie von mir?«
    Sollte er ihr sagen, daß er gar nichts wußte und daß er eben noch davon überzeugt gewesen war, an die falsche Tür geklopft zu haben?
    »Mein Mann, er hieß natürlich Lair, ist vor etwa fünfzehn Jahren gestorben.«
    »Ja, Madame.«
    »Er war unter anderem Vorstandsmitglied der Nordfranzösischen Eisenbahngesellschaft.«
    »Ja, Madame.«
    »Mein Vater hieß Lamblot. Désiré Lamblot. Sagt Ihnen der Name etwas?«
    »Nein, Madame.«
    »Strickt Ihre Frau nicht?«
    Daran hatte er nicht gedacht. Die Lamblot-Wolle!
    »Ich habe die Spinnereien und Webereien in Roubaix geerbt.«
    »Ja, Madame.«
    »Und jetzt leitet sie mein Schwiegersohn. Ich dachte, Sie hätten Erkundigungen eingezogen, bevor Sie kamen.«
    »Das heißt …«
    »Ich höre.«
    »Nichts, Madame. Ich muß mich entschuldigen, wenn ich eine Dummheit gemacht habe. Ich wollte nur feststellen, ob Sie Monsieur Bouvet kannten oder nicht.«
    »Wie spät ist es, Monsieur …«
    Sie wartete darauf, daß er seinen Namen

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