Das Begraebnis des Paten
der Liebsten im Arm und dem eigenen Sohn auf dem Schoß gefeiert hatte, war man auf den Geschmack gekommen und die Rückkehr in die Einsamkeit ein schwerer Brocken.
Aber es kam, wie es kam. Was wollte man machen. Manchmal lief es eben beschissen.
Sie kamen an einem schwarzweißen Wegweiser vorbei, von dessen Aufschrift man unterm Schnee gerade noch das Ende erkennen konnte: perä .
»Das war sicher die Abzweigung nach Kolkonperä«, sagte Allu. »Links müsste jetzt gleich der Weg zum Knechthaus abgehen.«
An der nächsten Kreuzung kamen ihnen Scheinwerfer entgegen, über denen ein gelbes Taxi-Licht schwebte. Mehr sah man von dem Auto praktisch nicht. Erst als es ganz dicht herangekommen war, erkannte man einen schwarzen Klotz zwischen den Lichtern, und beim Vorbeifahren konnte man feststellen, dass außer dem Fahrer niemand im Wagen saß.
»Ob Leila mit dem Taxi von der Beerdigung zurückgefahren ist?«, fragte sich Allu.
»Wo hat sie dann ihren Renault stehen lassen?«
»Vielleicht ist was defekt. Ist ja nicht mehr ganz neu.«
»Leila oder der Renault?«
»Beide.«
Draußen und drinnen brannte Licht. Jarkka fuhr aufs Grundstück, wendete, stellte den Motor ab.
»Willst du allein reingehen?«
Allu seufzte.
»Eigentlich will ich gar nicht. Ich hab dermaßen Schiss, dass mir die Hände zittern. Aber komm mit, dann kannst du mich ins Auto schleifen, falls ich böse einstecken muss.«
Sie stiegen aus und gingen durchs Schneegestöber zum Haus. Es fiel jetzt richtiger Schnee, aber nass war er immer noch. Und klebrig. Allu klopfte an die Tür, bemerkte die Klingel und läutete.
Drinnen ertönte das traditionelle Pimpelipom. Außerdem hörte man es krachen und poltern und schreien. Kampfgeräusche. Allu drückte die Klinke. Sie gab nach, die Tür ging auf.
Vor dem Bett kämpften drei Gestalten. Zwei gegen eine. Die Person in der Unterzahl hatte einen geblümten Kissenbezug über dem Kopf und ihre Hände waren mit Kabelbinder auf dem Rücken gefesselt. Trotzdem leistete sie mit Kopfstößen und Tritten respektablen Widerstand gegen Leder und Liima, die blutverschmierte Verbände an den Händen trugen und sich etwas schüchtern zurückhielten.
Die Person unter dem Kissenbezug war nicht Leila, sondern ein Mann. Klein, aber zäh. Man sah, dass er sich nicht zum ersten Mal wehrte. Ein heftiger Tritt traf Liima in die Eier, und gleich darauf richtete der nach vorn schnellende Kopf Schaden in Leders Innereien an.
Allu hatte keine Ahnung, wer der Mann war. Weil Leder und Liima zu Hurmes Bande gehörten, stand Allu eigentlich auf ihrer Seite. Aber etwas an der Unnachgiebigkeit des kleinen Mannes zog ihn an. Er wusste, was es bedeutete, allein eine Gang gegen sich zu haben. Seit Schulzeiten wusste er das. Als halber Rom hatte er weder bei den Zigeunern noch bei den Nichtzigeunern viele Freunde gehabt. Bloß Jarkka und ein paar andere.
Bei den Frauen war Allus blonde Zigeunererscheinung samt Gesangskunst immer gut angekommen, aber das gehörte nicht hierher. Jetzt musste dem Mann unter dem Kissenbezug geholfen werden.
Der schaffte es, Leder noch einmal gegen die Wand zu stoßen, obwohl dieser mit Ellbogen und Knien auf ihn eindrosch. Allu machte ein paar schnelle Schritte und schlug Leder mit Anlauf eine ausgestreckte Rechte zwischen die Augen. Leders Hinterkopf donnerte gegen die Wand, prallte zurück, aber da sackte der ganze Kerl auch schon zusammen, und da nun auch der Mann mit dem Kissenbezug mit seinen Kopfstößen aufhörte, rutschte Leder an der Wand herunter und kippte dann auf die Seite.
Inzwischen hatte sich Liima genähert, noch immer gekrümmt und sich die Eier haltend. Jarkka brachte ihn von der Seite zu Fall, sprang ihm in den Rücken und bog ihm die Hände nach hinten.
»Bleib so, oder es kracht.«
Liima fluchte gegen die Bodendielen, zappelte aber nicht.
»Kommt nur alle auf mich, verdammt, bringt eure ganze Scheißsippschaft mit, ich mach euch alle platt!«, drohte der kleine Mann unter dem Kopfkissenbezug und drehte sich auf der Suche nach Gegnern um die eigene Achse.
»Beruhige dich«, sagte Allu. »Was mein Kumpel da gerade gesagt hat, war für Liima bestimmt. Wir sind auf deiner Seite. Die Hirnzwerge liegen auf dem Boden. Warum sind sie auf dich losgegangen?«
»Vielleicht nimmst du mir erst mal den Kissenbezug vom Kopf«, sagte der Kleine. »So langsam wird der Sauerstoff knapp.«
Allu näherte sich dem Mann vorsichtig, für alle Fälle, aber als er sah, dass keine Attacke drohte,
Weitere Kostenlose Bücher