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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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einer Verbraucherkrise, die Maschinen lieferten viel mehr, als die Leute trotz allen Bedarfs bezahlen konnten. Ihr, abhängig vom monatlichen Wirtschaftsgeld, spürt noch den Rest davon. Na, denn Prost!« und beide tranken. – Wo das wohl hinauslaufen soll, dachte Albert Teetjen und verteidigte den Vorschlag, den er in seinem Briefe gemacht hatte. Sein Geschäft ging durchschnittlich, wenn das Publikum zu ihm kam wie früher. Nahm es aber ab, weil die Frauen an den großen Schaufenstern der Warenhäuser festklebten wie Fliegen an der Leimtüte, so mußten die fixen Kosten es langsam erdrosseln. An Wandsbeks Bewohnerschaft hatte sich nichts geändert, seit es dieses Jahr zum Hamburger Staatsgebiet geschlagen worden war. Die Gefolgschaften der großen Industriewerke, Beamte und Arbeiter, füllten die Wohnungen in seinen Straßen, Lehrer, Rentner, Handwerker. Die Leute mußten einteilen, was sie hatten. Wenn sie nicht in der Lotterie gewannen, so setzten sie alle keinen Speck an.
    Herr Footh wiegte sein rötliches Gesicht hin und her, glättete sein Schnurrbärtchen und winkte dem Kellner. »Worauf hast du Appetit?« fragte er seinen Gast. Sie wählten fürs nächste beide Hamburger Steak, gegrilltes Rippenfleisch vom Rind auf ebenso geröstetem Brot, wozu säuerlich eingemachte Gürkchen, Zwiebelchen und Pilze gehörten. Das weiße Tönnchen ward weggetragen und zwei große Gläser englischen Porters bestellt, ein Getränk, das im Hamburger Klima noch gerade bekömmlich und höchst angenehm schmeckte. Für eine Weile spiegelte sich nur das elektrische Licht in der Tischplatte.
    »Wenn man dir nun«, fragte Herr Footh, »eine Gelegenheit gäbe, ein Sümmchen zu verdienen, einen Zuschuß für die nächste Zeit? Anträge durch Bürgerschaft und Senat zu bringen, das braucht doch eine Weile. Siehst du ein, nöch? Und mir wurde da gerade eine Gelegenheit bekannt, die gleichsam und gewissermaßenin deinen Beruf schlägt.« – »Wäre günstig«, bestätigte Albert und bat um Auskunft. Aber da brachte der Kellner ein großes ovales Tablett, Geschirr, Besteck, und die Herren frühstückten. Sie wirkten beide in ihren schwarzen Uniformen wie Offiziere einer Truppe, die es zu Zeiten ihrer Kriegskameradschaft noch nicht gegeben hatte, und so sprachen sie zunächst einmal von den alten Tagen in Litauen und am Flusse Njemen. »Mensch, das waren damals noch Zeiten! Erinnerst du dich noch an die tolle Geschichte im Schaulener Forst?« Albert Teetjen erinnerte sich nicht, und Herr Footh, nachdem er Pumpernickel, Emmentaler, Pomeranzenschnaps (Curaçao) und zwei fast schwarze Brasilzigarren gewählt hatte, half seinem Gedächtnis nach. War da nicht ein Unteroffizier Ruckstuhl gewesen, und hatte der nicht mitten auf einer Waldchaussee einen Juden getroffen, auf einem Leiterwagen, der verbotenerweise Brennholz geschlagen hatte, Diebstahl am Eigentum der Besatzungsbehörde? Hatte Ruckstuhl ihn daraufhin nicht zum Tode verurteilt, absteigen lassen, auf dem gefrorenen Weg niederknien, und ihn mit der eigenen Holzaxt geköpft? Freilich gab es ein großes Halloh, als die nächsten Fuhrwerke den alten Itzig vor den Fahrgeleisen liegen fanden, von seinem Pferdchen beschnuppert, den Kopf mit dem grauen Bart neben sich, als hätte er ihn man bloß verloren. Und dem Ruckstuhl wäre es schlecht ergangen, hätte nicht ein Kriegsgerichtsrat Nissenbaum einen Narren an dem Fall gefressen, der ihm mit der Ehre des deutschen Waffenrockes unvereinbar schien, den er selber so gerne trug. Bewies also Herr Nissenbaum, daß Ruckstuhl sinnlos betrunken gewesen sei – am Sonntagmorgen zwischen zehn und elf; und daß er überdies schon früher mangelnde Zurechnungsfähigkeit an den Tag gelegt habe, in Form von Dämmerzuständen, in denen er alles mögliche tat, ohne davon zu wissen. War ein jüdischer und sozialdemokratischer Herr, der Herr Nissenbaum, und erwarb sich durch diesen Fall eine so gute Nummer bei den preußischen Konservativen, daß er noch heute seine Pension empfing, natürlich in Palästina.
    Albert Teetjen saß zurückgelehnt auf seinem breiten Holzstuhl, nippte Likör, genoß den fast süßen Pumpernickel und den Nachgeschmack des Schweizer Käses zwischen Zunge und Gaumenund freute sich der rauhen Haut seiner frischen Brasilzigarre. Der Frühstückskeller des Herrn Cölln hatte sich inzwischen fast bis auf den letzten Platz gefüllt, was sich in einem gedämpften Klirren und Brausen äußerte. Tja, lachte Albert, der sich inzwischen des

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