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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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jeder mit sich abmachen. Besonders hier in Hamburg.
    So gelang es Albert, den Stoß auszubalancieren, den ihm die Pfingsttage versetzt hatten, ihm und Stine, aber besonders ihm. Wenn man von außen her urteilte. Noch während der Regentage, als er seine Pistole gereinigt hatte, ging er ans Aufräumen der Remise mit der schmerzlich leeren Stelle, welche früher die beiden Fahrräder eingenommen, nach welchen Stine nun gar nicht mehr zu fragen wagte. Zweihundert Mark und zehn Mark Zinsen für drei Monate, darüber sollte ein Mensch nun wegkommen. Während Albert ein altes Plättbrett nach vorn trug, um es später zu zerkleinern, versuchte er kopfrechnenderweise herauszubekommen, welchen Zinsfuß Freund Lehmke ihm abknöpfte. Aber er kam damit nicht voran. Erst als er ein Stück Kreide entdeckt und die Rückseite des Holzes als Schiefertafel benutzt hatte, ergab sich ihm das Ergebnis: zwanzig Prozent! Allerhand! Allerhand! Wie war das doch mit dem arbeits- und mühelosen Einkommen in den 25 Punkten des ewigen Programms? Mitten in dem hallenden, fensterlosen Raum stand er da und lachte: Adolf Hitler, Heil und Sieg! Aber denen, die dich mißbrauchen, Knochenbruch und Abtreten. Und damit bemächtigte er sich des alten Liefer-Dreirads, das er für leider so kurze Zeit durch das schöne Fahrrad ersetzt hatte. Es besaß einen Kastenaufbau zwischen der Hinterachse und hätte einer Erneuerung des Anstrichs wohl bedurft, wenn man, ohne sich schämen zu müssen, damit am hellen Tage durch Hamburgs Straßen gondeln wollte. Irgendwo mußte noch eine Tüte solchen Farbstoffs stehen, auch ein Pinsel würde sich finden. Kosten durften nicht entstehen, eine Verschönerung aber blieb unentbehrlich, auch wenn man das Ding, das Alberts Vater immer die Draisine genannt hatte, verhökern oder verschärfen wollte. Vielleicht ließ sich Stine sogar herbei, in den würfelförmigenWarenraum hineinzukriechen – Albert nannte ihn viereckig – und so mit ihm in die Umgebung zu fahren wie in besseren Zeiten. Für eine halbe Stunde hielt es ein Mensch recht wohl aus, mit angezogenen Beinen in diesem Kasten zu sitzen, an die Rückwand gelehnt. Natürlich mußte man den Hohlraum gründlich säubern, Lysol ins Wasser tun und ihn ein paar Tage im Freien auslüften lassen, den Deckel abgenommen. Nun, Albert hatte Zeit. Er schleppte die beiden Böcke hinaus, benutzte das Plättbrett als Brücke dazwischen und zerlegte mit kundigen Händen das Fahrgestell, bis sich kaum jemand außer einem Berufsmonteur der Wanderer-Werke in der Lage gesehen hätte, die Maschine wieder fehlerlos zusammenzusetzen. Eine alte Konservenbüchse mit Petroleum, drei abgenützte Zahnbürsten, das Ölgefäß der Fahrräder, ein Haufen Putzwolle und alte Lappen – und im Hof schräg unterhalb der Fenster von Frau Blohm richtete sich Albert eine Arbeitsstelle her und werkte daselbst, die Hemdsärmel aufgekrempelt, die kurze Pfeife mit Selbstgemischtem im Munde, daß es ein Vergnügen war, ihm zuzuschauen.
    Wenigstens fand das Frau Blohm, als sie ihrem Freund, Herrn Kramer, das Essen auftrug, als er am Spätnachmittag vom Dienste kam. »Schau bloß, was der Teetjen für’n tüchtigen Kerl ist, wie der sich zu helfen weiß.« – »Ja«, sagte Herr Kramer, trat vom Fenster wieder zurück – sie aßen in der Küche –, setzte sich wieder und legte die Serviette glättend auf seine Knie. »Das muß ich mit dir besprechen. Die Agnes Timme geht Mitte Juli weg – mit Kraft durch Freude nach Norwegen, kommt aber nicht mehr wieder. Dort kriegt sie die Einreise nach Rußland. An der Grenze erwarten sie ihre beiden Kinder. Nun hab ich mir gedacht, so gut wie die mit ihrer Prothese – linke Hand im Dienste der Firma vor sieben Jahren zerquetscht – könntest du doch die Arbeit auch bewerkstelligen. Du hast flinke Hände, bist nicht auf den Kopf gefallen, müßtest dich freilich jetzt schon einarbeiten. Sie würde dir dabei behilflich sein. Ich hab ihr ja all die Zeit den Rücken gestärkt, hatte es ja nicht ganz einfach, die Frau. Daher weiß ich auch das alles, das mit Oslo und Leningrad, und den Kindern. Da wir nicht verheiratet sind, fallen wir nicht in die Rubrik: Doppelverdiener, wenn du selber auch jeden Samstag eine Lohntütenach Hause trägst. Wir könnten’s brauchen und würden es schon einrichten, nicht?« – »Ist ’ne saubere Arbeit«, überlegte Frau Blohm laut. »Dann würden wir mittags aus der Kantine essen und abends warm. ’s wird ohnehin alles so teuer. Wenn’s

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