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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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ginge, Oskar?« – »Wie soll’s nicht gehen? Müßtest halt mal erst unter die Lehrmädchen, Otti.« – »Werd mich nicht genieren, und zum Dank könnt ich ihr stecken, wer’s ihrem Mann besorgt hat, vergangenen Sommer. Wär vielleicht froh, die Frau, wenn sie ihren Kindern ein Bildchen mitnehmen könnte vom schönen Albert, oder sich von ihm verabschieden, von ihm und seiner Stine.«
    Oskar Kramer war froh, daß er seine Mahlzeit inzwischen beendet hatte, Löffelerbsen mit Speck und einen Pudding hinterher. Was in solch einer kleinen Frau für ein Teufel zu stecken vermochte, der so mir nichts, dir nichts zutage trat. Er zündete sich die Zigarette an, trat nochmals ans Fenster, sah Albert sein Zeug in die Remise zurückschaffen und sagte kopfschüttelnd, völlig gegen seinen Willen: »Von hier aus könntest du ihn knipsen.«
    Hoch und schwer dehnt sich der blaue Himmel des Julimorgens über dem Borsteler Moor. Oben über den Wipfeln der Birken und Erlen schweben weiße Sommerwolken von der See her, landeinwärts, steigen höher und verdunsten. Im hohen Gras, gelbrot vor Reife, steht der Lieferwagen, in welchem Albert seine Stine aus Hamburg herausgefahren hat – herausgestrampelt, nennen sie es. Zum Glück ist Hamburg flach wie ein Tisch und Albert in den ersten Stunden des Tages noch immer ein fester Kerl; nur schnell müde wird er jetzt, wenn auch nicht als Liebhaber seiner Kleinen. Dennoch muß gesagt werden, daß auch in dieser Beziehung seit Pfingsten eine befremdende Veränderung mit ihm vorgegangen ist, und übrigens auch mit ihr. Etwas hat den Strom abgedrosselt, der zwischen ihnen sonst so leicht aufsprang und spielte; jetzt müssen schon besonders stimmungsvolle Minuten eintreten, um sie daran zu erinnern, daß sie ja durchaus noch kein aneinander abgeriebenes Ehepaar sind, sondern daß der Anblick von Stines Schultern und Rücken, der Glanz ihrer Augen, das Lächeln ihrer Lippen, ja schon der rote Flaum unter ihrer Achsel, den Albert in Schwung versetzen. Heute morgen war demso, als sie in ihren Betten erwachten, die noch die ihren sind, und ebenso, als Stine aus dem viereckigen Gehäuse kroch und ihre langen, wohlgebildeten Beine auf die Erde setzte, während ihr Kleid, hochgerutscht, das Gefährt zu verlassen sich weigerte, was einen verlockenden Anblick bot. Zum Glück war niemand in der Nähe, erst in den späteren Morgenstunden würden die Ferienkinder durchs Gehölz pirschen, Schmetterlinge, Himbeeren, Hirschkäfer zu suchen und Butterbrotpapier zu hinterlassen, obwohl der Magistrat dagegen energische Einwände plakatierte. Albert hat seine Wünschelrute bei sich – er kennt gerade diese Gegend recht genau; ihre unterirdischen Wasserläufe mit ihren Verschiebungen und neuen Durchbrüchen haben ihm manches Rätsel aufgegeben. Heute aber liegt er im Gras neben Stine auf dem Rücken, und auch sie läßt das mitgebrachte Kinderkleidchen eingepackt liegen. Sie brauchen noch keinen Hunger zu leiden, noch vermögen sie Kartoffeln zu kaufen und vom Räucherspeck abzuschneiden. Doch lassen sie sich von Lehrer Reitlin die alte Zeitung schenken; auch hat Albert ein Petroleumlämpchen aus einer alten Tabaksschachtel konstruiert, in welchem dauernd ein Fünkchen brennt, um Streichhölzer zu sparen, indes er in seiner Pfeife den Selbstgetrockneten raucht. In den ersten Julitagen hat der Gasmann, als der den überaus geringen Verbrauch feststellte, ihnen nahegelegt, die Anlage abnehmen zu lassen, da Gasautomaten gebraucht wurden und die Rüstungsindustrie die Anfertigung von neuen stark einschränkte. Dabei hat sich Albert gefragt, ob er nicht am besten täte, seine Ladeneinrichtung abzumelden und den Geschäftsraum selbst dem Wirt wieder zur Verfügung zu stellen. Zusammen mit der Werkstatt und der Remise. Zurück hielt ihn nur die Verkoppelung von Laden und Wohnung in seinem Mietsvertrag. Für Räume, die schon sein Vater innegehabt, konnte er zur Not die Miete monatelang schuldig bleiben; zog er aber irgendwo neu ein, so mußte er Geld bar auf den Tisch legen, nicht nur beim Vertragsabschluß, sondern auch die ersten fälligen Zahlungen danach. Dies alles bedachte er, während er die Wolke über seinem Haupt wegschwimmen sah und der Lust nachhing, die seine Stine ihm wiederum geschenkt.
    »Hast denn Spaß daran, Deern, das Gekniebel und Gesparenoch lange mitzumachen?« Sie wandte ihm einen fast veilchendunklen Blick aus den Augenwinkeln zu, schräg seitwärts, weil er ja neben ihr lag: »Solang wie du

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