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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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rötliches Haar, und stumm vor sich hinlächeln. Sie war nicht gemacht,hieß das, in ein Nest zurückzukriechen, aus dem sie still und entschlossen weggegangen, so früh sie konnte. »Na schön«, sagte er und stand auf. »Dann versuchen wir’s mal bei Kamerad Footh. Hab’s oft bedacht die letzten Wochen, ob denn ein Unrecht dabei war, als ich den Job übernahm, vorigen Herbst.« Damit reichte er ihr die Hand, sie griff mit ihren beiden danach, setzte ihre Füße fest gegen den seinen und ließ sich hochziehen – er schaffte es mit einem Arm. »Ich schlaf ja jetzt nicht mehr so leicht ein wie früher. Und da muß ich mir sagen: Tat der Adolf Hitler recht, die Gesetze der anderen zu ändern, so tat auch der Albert Teetjen recht, sie auszuführen – in aller Bescheidenheit. Hat ihm das Volk zur Macht verholfen? Ja. Hat’s ihm zugejubelt, wie er hier in Hamburg einfuhr? Ja. Hat’s ihn zum Herrn gemacht über Tod und Leben? Ja. Also trägt er die Verantwortung und ich bin los und ledig, alles in Ordnung.«
    »Und wenn’s nun der liebe Gott anders will?« fragte Stine, damit beschäftigt, in den Lieferwagen zu kriechen, in dem es durchaus nicht angenehm roch, obwohl sie ihn ausgeseift und mit Wacholderbeeren geräuchert hatten.

Drittes Kapitel
Das Gesetz des Dschungels
    An einem der nächsten Nachmittage hält ein Lieferwagen, Dreirad mit weißlackiertem Kubus zwischen den Hinterachsen, in einer der stillen Querstraßen des baumbestandenen Harvestehuder Wegs. Ein gutgewachsener blonder Mann promeniert mehrere Male um das Viertel, welches den hübschen, von Hecken umgebenen Garten der Villa Footh umschließt. Am Eingang für Lieferanten wie an dem für Herrschaften vorüber marschiert er, nachdem er erst am ersteren geklingelt und die Antwort bekommen hat, die Herrschaften hätten nichts bestellt und wären nicht zu sprechen. Ich hätte natürlich am Vordereingang reingehen müssen, verwünscht sich der Mann, nur die Lumpen sind bescheiden. Da er sich aber nicht traut, unverrichteter Dinge nach Hause zu kommen und da das Vergeuden von Tageszeit der einzige Luxusist, den er sich noch leisten kann, macht er dem Reeder Footh eine Fensterpromenade, zweimal, dreimal rund ums Karree.
    Madame Footh, Herr H. P. Footh und der Privatsekretär, Herr Klaas Vierkant, sitzen inzwischen teetrinkend auf der Terrasse vor dem Foothschen Schlafzimmer. Anders als im vorigen Sommer ist jetzt die Brüstung dieser Terrasse mit grau und rosa gestreifter Segelleinwand bespannt, welche zwar erlaubt, zumal an den Kanten, hinunterzuspähen, ein Beobachtetwerden von draußen aber verhindert. Das hat seine Gründe: die junge Frau Footh wünscht nicht, daß die goldfarbene Bräune ihres schlanken Körpers von störenden Teilen weißer Haut unterbrochen werde. Heut hat sie Herrn Vierkant zum Tee gebeten, damit er ihrem Mann, seinem Chef, die Gedankengänge entwickle, die er ihr selber in den letzten Wochen vorgetragen und vertraut gemacht hat – Gedankengänge zum Schwindligwerden für einen Mann, einen ehemaligen Unteroffizier, der H. P. Footh ja doch wohl einst war und in einem Eckchen geblieben ist. Sein Gesicht ist in den letzten Monaten zugleich furchiger und schlaffer geworden, seine Gestalt feister – die Wiener Mehlspeisküche! Sein Blick aber drängender, unruhiger, beladen mit Problemen und Ehrgeizen. Und dies ist es, was jetzt zur Entscheidung steht: Es heißt Göring oder Goebbels.
    »Das deutsche Reich«, so legt Herr Vierkant dar, in weißem Anzug, Tennisdreß, die Zigarette zwischen den schlanken Fingern, »unsere Heimat ist in jenes Stadium eingetreten, das andere Länder längst durchzumachen begannen, bevor uns der Himmel mit Adolf Hitler begnadete. Konzentration des Kapitals heißt es, mit zwei häßlichen, aber leider notwendigen Fremdwörtern, Zusammenballung des Nationalvermögens in den Händen und unter der Verantwortung immer kleinerer und kleinerer Gruppen von Wirtschaftsführern. Wie notwendig solch ein Prozeß vor sich geht, beweist am besten die Gründung der Hermann-Göring-Werke, die gedacht war als reichseigene Gesellschaft zum Abbau privatwirtschaftlich nicht lohnender Erzlager, zu Rüstungszwecken, und die mit Windeseile von fünf Millionen zu vierhundert Millionen Kapital angewachsen ist. Alles, was wir in Wien besprachen, hat Sinn nur, wenn es sich diesem neuen Wirtschaftsgiganteneingliedert; alles, was in Österreich Wert hat, schluckt er, im Namen und zum Heil der kommenden Aufrüstung. Wollten wir uns an

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