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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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bankmäßige Sicherheiten – und die hast du doch nicht zu bieten – zweihundert Mark hinauszutun. Verkauf du ruhig dein Schlafzimmer, lös dein Geschäft auf, verschwinde für ein Weilchen auf dem flachen Lande mit deiner Stine, inzwischen ordnen sich hier neue Verhältnisse, eine Anstellung für dich kann einkalkuliert werden – natürlich nur, wenn von deiner Seite keine Schwierigkeiten entstehen, und alles kommt wieder in gute Butter. Du verstehst, was sich alles jetzt entscheidet, wenn der Führer wirklich in München mit Chamberlain und Daladier einig wird, unter Ausschiffung der Russen, wenn die Londoner City den Dr. Benes fallen läßt und in Europa ganz neue Gruppierungen entstehen – unter anderem neue Wege von der Donaumündung bis nach Hamburg. Wenn solche Dinge am Pfahl stecken, wie die Engländer sagen, kannst du doch nicht verlangen, daß jedem Einzelschicksal nachgegangen wird, als hinge das Dritte Reich daran, unseres Volkes Gegenwart und Zukunft. Laß dir sagen, Kamerad Teetjen, du hast hier im Hause gute Freunde, du und deine Stine, aber du darfst uns keine Schwierigkeiten machen.Die nächste Phase hindurch nicht querulieren.« (Es fiel Herrn Vierkant selber auf, daß seine Fremdworte dem Kameraden Teetjen nicht gerade leicht eingehen würden, aber sie kamen ihm nun einmal heute so auf die Zunge.) »Ihr habt doch Verwandte irgendwo draußen, jeder Mensch hat solche. In der Zwischenzeit stehen euch monatlich zwanzig Mark als Taschengeld zur Verfügung, als Bürgschaft sozusagen, daß man euch im Auge behält. Geh hinüber zu Fräulein Petersen, hol dir die erste Rate – sie kann sie dir auch hierherbringen – ich muß sofort zur Norag – und betrachte das Ganze als notwendiges Opfer, das die Volksgemeinschaft dir auferlegt. Dir und ihr. Die Flut steigt, lieber Teetjen, und wir schiffen uns aus oder ein; bei Ebbe sind wir längst auf hoher See, die stolze Reederflagge Footh mit einer noch viel stolzeren verwimpelt. Jetzt hebst du die Augustrate ab, die Septembersche heute in einem Monat, und die Oktobersche wird euch nach Övelgönne überwiesen, nach Nienhagen oder wo immer ihr die Flaute über vor Anker gehen wollt. Mit Lehmke will ich gerne reden, ohne großen Hoffnungsschimmer. Und nun bleib sitzen, gleich kommt Fräulein Petersen.« Heil Hitler, grüßte er, die Geste des römischen Grußes war eigentlich viel zu weitausladend für das kleine Dreieck, und verschwand durch die Innentür, um »Fräulein Blüthe« seinen Erfolg zu melden.
    Albert Teetjen blieb in der Tat sitzen, gelähmt, gleichsam erstarrt. Er gab sich keine Rechenschaft über das, was ihm alles einstürzte, indes dieser Bursche salbaderte. Das nannten die Volksgemeinschaft, so war’s gemeint mit dem Programm. Im Mittelpunkt der Erde alle Dinge gleich schwer, aber hier draußen – au weih. Vom Mittelpunkt der Erde verstand er mehr als dieser Scheißkerl, aber solch einen Quatsch – sollte er sich den gefallen lassen? Sollte er nicht lieber mit einer Axt wieder kommen und diese Affenbude zerteppern, womöglich mit dem Kameraden Vierkant drin und immer mittenmang? Was wollten die? Mit zwanzig Mark im Monat Trinkgeld ihn auskaufen? Ihn und die Stine? Raus aus Hamburg, aus seinem Beruf, seiner Selbständigkeit, seinem ehrsamen Handwerk und Gewerbe? Ja, war er denn ein Affe, daß er hier noch immer saß? Nichts wie raus, bloß weg!
    Aber da trat Fräulein Petersen schon ein, eine Mappe in der einenHand, eine gefüllte Tüte in der anderen. Als Albert den netten, mütterlichen Ausdruck auf ihrem Gesicht gewahrte, atmete er beruhigter. Er merkte erst jetzt, ja eigentlich entging es seiner Selbstkontrolle, wie sehr ihn die Ausstrahlung gereizt hatte, die vom Kameraden Vierkant ausging, den er einst so gern gehabt. Fräulein Petersen stellte ihre Tüte vor ihn hin: »Diesmal sind auch viele Zigarettenstummel dabei, wir hatten Besuch, der sie nur halb rauchte, ausdrückte und in den Becher warf. Das wäre doch schade, nicht wahr? Rohstoffverwüstung, Belastung unseres Imports und der Devisenbilanz. Können wir uns doch nicht leisten, nicht wahr, Herr Teetjen? Gute Nationalsozialisten mischen sich ihren Tabak selbst und stärken den Vierjahresplan.« Red ’büschen viel, die Deern, dachte Albert, halb ärgerlich, halb belustigt. Seine Mienen aber lösten sich einigermaßen, als er sich bei Fräulein Petersen bedankte für die freundliche Mithilfe bei seinem schwierigen Haushalt. »Und hier hätten wir nun«, und sie schlug die

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