Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
Vom Netzwerk:
diese Weise ein Weg in die Zukunft mehr verriegelt worden war. Nach diesem Auftreten schien es ihm würdiger, mit wehender Flagge unterzugehen und respektiert zu werden, als sich auf jämmerliche Weise durchzuretten. Auf der Heimfahrt war ihm auch klarer als je geworden, welchen Fehler er vor dem Hause Footh gemacht, dadurch, daß er die Hintertreppe beschritten hatte, die für Dienstboten und Lieferanten bestimmte. Durch wen denn, wenn nicht durch ihn war Footh in die Lage versetzt worden, dem Gauleiter und dem Senat, ja dem Justizministerium und der Führerclique einen Dienst zu leisten? Wer, wenn nicht Teetjen, hatte ihn aus den Tausenden von kleinen Hamburger Unternehmern herausgehoben? Wer sich klein gab, war klein, wer etwas darstellen wollte, mußte das den Leuten deutlich machen; stolz aufgereckt im Sattel seines nicht gerade eleganten Dreirads, als sei er selber der Reeder Footh, trampelte Teetjen in die Wagnerstraße. Bei Lehmke hielt er an, fragtein die Küche hinein, ob Verlangen nach einer Schöpsenkeule da wäre, ließ sich noch eine Flasche Kümmel herausreichen, befahl geradezu, man möge sie anschreiben, und erschien bei seiner Stine mit einem Busch billiger Rosen aus dem Grünkram- und Blumenladen gegenüber. In dieser Jahreszeit, und wenn sie nicht mehr ganz frisch aussahen, erhielt man für zehn Pfennig fünf Stück.
    Gut ausgeruht, straff und frisch, mit Sorgfalt rasiert und gekleidet, stellte er sich am nächsten Tage auf der Schreibstube ein, sein Findebuch in der Hosentasche. Ja, Herr Oberstleutnant Lintze war zurückgekommen, würde aber gleich wieder nach Süddeutschland abschwirren, wo Exzellenz Knochenhauer gleich geblieben wären, aber das Findebuch würde er gern mit hinabnehmen, um es sachverständigen Zirkeln vorzulegen; während der Herbstmanöver werde sich bestimmt eine Gelegenheit zu Vorführungen und Leistungsproben ergeben, so daß Herr Teetjen damit rechnen könne, zum überzähligen Obergefreiten befördert und als Unteroffizier eingezogen zu werden, falls er als Freiwilliger seine Dienste der Wehrmacht zur Verfügung stelle. Wenn es im August – der Feldwebel drückte sich immer so gebildet und vorsichtig aus – wegen der Sudetendeutschen nicht doch noch zu internationalen Verwicklungen kommt, dann würde die Truppe Mitte Oktober wieder soweit rausgebürstet sein, daß man sich mit ihr im Manöverfeld sehen lassen könnte. »Mitte Oktober«, wiederholte Teetjen mit undurchdringlicher Miene, Hoffnung und Hohn gleichermaßen verbergend; jedenfalls werde er seine Übungen im leichten Boden fortsetzen. »Meine Adresse hat der Herr Oberstleutnant doch, schreiben wir sie nochmal hinein, Teetjen, Wagnerstraße 17.« Auch diese Leute, dachte er auf dem Heimweg, fragen nicht, wovon man lebt. Vielleicht kommen sie gar nicht darauf, daß unsereiner nicht über ihre festen Bezüge verfügt. Alle vom Stamme Nemm – lauter weiße Juden, würde Pieter Preester sagen. Geht’s uns weiter an die Nieren, so muß Stine den Federhalter nochmal eintunken, diesmal für Herrn Lintze. Daß die Herren mit Zaster herausrücken möchten, wenn sie Mitte Oktober nicht bloß mein Findebuch sachverständigen Zirkeln vorzuführen wünschten, sondern auch mich.Auf alle Fälle aber habe ich jetzt einen Grund, unsern Freund Footh mobil zu machen. Er muß mich über Wasser halten, bis der Wehrkreis darauf kommt, daß dies an ihm ist. Und er beschloß, beim Postamt Wandsbekerstraße einzukehren, zunächst Fräulein Petersen, dann aber den Mächtigen selbst zu verlangen und neuen Zement ins Pflaster seiner Existenz hineinzustapfen, so wie’s die städtischen Arbeiter da drüben mit den breiten Platten des Bürgersteigs taten, indes sich die Fußgänger an den Häusern entlang drücken oder die Fahrbahn benutzen mußten.
    Klaas Vierkant hatte sich in der Reederei Footh ein Arbeitszimmer in einem kleinen, dreieckigen Ablageraum geschaffen; er hatte Talent schon dadurch bewiesen, daß er dieses Räumchen aus seiner Aschenputtelrolle erlöste, ohne die übrigen Geschäftsräume wesentlich zu belasten. »Fräulein Blüthe« bewunderte diesen Blick und diese Findigkeit und ließ das Kabinettchen mit einem kleinen Schreibtisch, zwei bequemen Stühlen und einem Telephon ausstatten, die Zugangstür vom Treppenflur freimachen, vor welcher innen ein Regal voller Briefordner gestanden, an dieser Tür außen ein Emailleschild »Privatsekretär« anbringen und anordnen, daß, wer immer Herrn Footh persönlich verlange,

Weitere Kostenlose Bücher