Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
Vom Netzwerk:
Mappe auf, »eine kleine Quittung zu unterschreiben«, und sie löste den Zwanzigmarkschein, der mit einer Büronadel an einem Blatt Papier befestigt war, sorgfältig heraus, übergab Albert einen Kopierstift und zeigte ihm die Stelle für seine Unterschrift. Hamburg, den 27. Juli 1938, aber Albert schrieb nicht. Er blickte auf das Blatt, den Stift, die Banknote und Fräulein Petersens bräunliches und freundliches Gesicht: »Was soll das wohl nutzen, wenn man auf zweihundert Mark gerechnet hat? Wenn man die braucht, Fräulein Petersen?« – »Ja«, stimmte Fräulein Petersen in seine Kümmernis ein, »’s gibt Leute, die’s brauchen, und Leute, die’s haben. Um’s aber zu kriegen, muß man früh anfangen und alles zusammenhalten. Bitte, unterschreiben Sie, lieber Herr Teetjen, ich muß doch wieder an meine Walze.« Teetjen schüttelte den Kopf. »Für Ihre liebe Frau«, drängte sie. »Zum Verhungern zu viel, zum Leben zu wenig«, sagte er zögernd, indes er unterschrieb: Albert Teetjen, Schlächtermeister. »Ihnen Unannehmlichkeiten zu ersparen, Fräulein Petersen«, damit stand er auf, steckte den Geldschein ein und nahm seine Mütze von Herrn Vierkants Schreibmaschine. »Mir«, fragte Fräulein Petersen, »ach, Herr Teetjen, ich, wenn ich’s hätte, ich würd Ihnen schon aus der Klemme helfen. Aber wer kriegt zweihundert Mark zusammen.« EineGlocke schrillte, Fräulein Petersen drückte Albert die Stummeltüte in die Hand, erraffte ihre Mappe, nickte ihm zu, öffnete ihm die Außentür und schloß hinter ihm. Privatkontor, las er, schüttelte den Kopf und suchte den Fahrstuhl auf, um sich heruntergleiten zu lassen. Im Treppenschacht brannte elektrisches Licht; er empfing seine Luft von der Decke, vom schräg geöffneten Preßglas im Dach des Hochhauses. In der Hochbahn, während Hamburg an den Fenstern vorüberjagte, die reiche Stadt, mit Hafen, Dampferschloten, hellem Himmel, Funktürmen und all dem Sommerglanz, trabten zwei Gedanken in Albert Teetjens Kopf herum. Der eine fragte, wie wohl eigentlich der Vierkant dazu gekommen sei, Privatsekretär bei Reeder Footh zu spielen; der andere, mit Kopfnicken begrüßt und zur Kenntnis genommen, stellte grimmig fest, den alten Footh selber werde er nun wohl nicht mehr zu Gesicht bekommen. Riegelstellung Vierkant, dachte er bitter. Sein gesunder Menschenverstand sagte ihm, daß dies nur das Werk der jungen Frau Footh sein könnte, die ihren Mann von seinen alten Kumpanen loseiste. Ob die wußte, was sie für die Teetjens damit anrichtete? Bestimmt nicht. War auf der Hochzeit doch so nett gewesen, das dünne Figürchen, in Gold, zum Zerdrücken. Stine mußte zu ihr hingehen, ihr alles erklären. Ihn, Albert, aus seiner Heimaterde reißen? Das konnte nicht ernst gemeint sein. Für zwanzig Mark monatlich.
    Daheim erwartete ihn Stine, eine Postkarte von Schwager Ahlsen in der Hand. Er hatte seins auflösen müssen, schrieb er und werde seine Schulden vierteljahrsweise abzahlen, von seinem Gehalt als Koch auf dem Spanienfahrer, auf dem er Dienst genommen. In einem Monat etwa komme er nach Hamburg, von wo aus die »Eleonora Kröger« ihre Fahrt antreten werde. Schwager Teetjen solle sich bereithalten, ihn auf dem Schiff zu besuchen. Er schicke ihm aber noch eine Karte mit genaueren Angaben. »Wieder Spanien«, meinte Albert, indes er die Uniform auszog, alte Hauskleider anlegend. »Dein Freund Footh scheint diesmal nichts bewilligt zu haben«, erriet Stine in seinen Mienen. »Etwas doch«, erwiderte Albert und glättete den Zwanzigmarkschein vor ihr auf dem Tisch. »Und das soll alles sein?« mit angstvoll aufgerissenenAugen. »I wo«, knurrte er, und die Erinnerung stieg in ihm auf, als Welle von Haß. »Zieh nur weg aus Hamburg, in die Marschen hinaus oder die Heide, und der große Reeder Footh blecht weiter solch ’nen Lappen jeden Monat. Kipp nur nicht vor Staunen um. Und später, wenn er erst ganz groß geworden ist, blüht uns noch irgendwo auf seinen Lagerplätzen ’ne bescheidene Anstellung für mich. Großartig, was?« Stine blickte vor sich hin: die Großmutter hatte ihr den richtigen Weg gewiesen. Ausgang ins Innere. »Sie wollen nicht mehr an die Vergangenheit erinnert sein, die Fooths«, bemerkte sie. »Seit er die neue Frau hat, die steuert voran. Die macht auch noch was aus ihm, wirst sehen.« – Oder auch nicht, ergänzte sie im stillen. »Und ich dachte, du solltest es noch mal bei ihr versuchen.« Stine schüttelte die Haare, den goldroten Knoten.

Weitere Kostenlose Bücher