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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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Küchenmeister, wie’s im Märchen immer hieß. Die letzten Kartoffeln, die letzten Kohlen, das letzte Ende Wurst, die paar eifersüchtig gesparten Reinetten – wer wußte, ob sich das alles noch bis Ende August strecken ließ. Da sollten wir doch wenigstens Ach und Krach vermeiden.
    Heute kam Albert mit geheimnisvoller Miene heim und zog, nachdem er sich gewaschen und die Kleider gewechselt hatte, vier prächtige, gültige Zehnmarkstücke aus dem Notizbuch. Was war geschehen? Er hatte seine Draisine verkauft. Das Dreirad. DenLieferwagen. An den Kollegen Schmidchen, Altona, nahe den Landungsbrücken in der Wittnerstraße. Eigentlich wollte er ihm erst nur ein Vorkaufsrecht einräumen; dann aber wurden sie handelseinig, mit dem Recht, bis zum siebten September einschließlich den Wagen zu behalten und zu benutzen. Und eine schöne geräucherte Landleberwurst hatte der brave Schmidchen mit in Kauf gegeben. Außerdem hatte sich im Hafen herumgesprochen, die »Eleonora Kröger« sei in den nächsten Tagen fällig. Und schließlich hatte die Lehmkin von ihrer Schwelle aus, wo sie jetzt immer das Spielen der Kinder beaufsichtigte, grüne Blicke auf Albert geschossen, als er mit der Draisine wegfuhr, heute nachmittag. Wenn die nicht dachte, daß Teetjens ihre Wäsche in Sicherheit brachten, konnte die Stine ihren Albert am Lampenhaken aufhängen, hier überm Tisch. »Sie will halt auch Luft schnappen, die Lehmkin«, begütigte Stine.
    Ja, Frau Lehmke verzehrte sich in Unruhe und Besorgnis. Was hatte der Kerl, der Teetjen, so unverschämt zu grienen, als er mit seiner Tretmaschine vorübertrampelte! »Geschlossen wegen Verlegung« stand bereits am Geschäft. Ja, Parteigenosse Reitlin hatte gestern triumphierend erzählt, er habe für Nr. 17 schon etwas auf der Pfanne, das der ganzen Straße zur Ehre gereiche. Wenn’s glücke und die Räume dem neuen Mieter gefielen, die Ansprüche auf Renovierung auch nicht zu hoch geschraubt würden, kurz, wenn sie sich einigten, brächte er in die Panzerschenke oder Panzerschnecke, wie er spaßte, einen neuen ansehnlichen Gast, der fürs erste dort telephonieren würde, sich fürs zweite aber ein eigenes Telephon anschaffte. Unter anderen Umständen hätte er mit seiner geheimnisvollen Ausführlichkeit auf Frau Lehmke sicher Eindruck gemacht; unter den gegebenen hörte sie höflich und flüchtig zu und dachte zwischendurch, es möge den Kerl der Teufel holen. Was alles konnte diese raffinierte Stine ihren dummen Mann – alle schönen Männer waren schwach im Kopfe, viele auch in den Lenden – wegschaffen lassen, ehe es Abend wurde, wollte meinen ehe sie, Martha Lehmke, ihre Hand auf die Wäsche legte. Zweihundertzehn Mark! Wo die Steuern und Abgaben den Leuten jedes Glas Bier vor der Schnauze wegzogen! Wo nur die Großen profitierten, die aber deftig. Wo die ganzeJudenbeute in den engsten und obersten Parteikreisen verblieben war, indes die arisierten Betriebe weiterblühten und gediehen und den kleinen Mann in die Quetsche nahmen, daß er Blut und Wasser schwitzte. Den Fall Teetjen hatten sie gerade vor der Nase, und er hatte es ja auch besonders dußlig angestellt. Aber wenn sie, Martha Lehmke, in der Markthalle umherging und einkaufte, hörte sie bald über diesen, bald über jenen dermals selbständigen Kleingewerbler, daß er jetzt einen schönen Platz bei Blohm und Voß, Vulkan oder bei den Hansa-Elektrizitätswerken einnehme, auf dem er zwar doppelt so scharf herangenommen werde wie früher, aber eben doch zu leben habe, dank dem Führer und seinen wirtschaftlichen Vertretern. Anfangs September würde es auch bei Teetjens so weit sein, und Lehmkes hatten zweihundertzehn Mark Überschuß in ihn investiert, fast den ganzen Reingewinn des letzten Vierteljahres, und nun wollten sie dafür aber auch alles haben, was ihnen zustand. Alles restlos und noch mehr! Die Dörte hatte der Stine ja oft genug beim Wäschelegen zugeschaut oder selbst geholfen, sie hatte erzählt, was es da zu holen gab für Kopfkissen mit Einsätzen, Bezüge mit Hohlsaum, Laken noch aus der besten alten Zeit, so schwer, wenn sie naß waren, daß Frau Barfey und Stine alle Hände voll hatten beim Auswinden. Und da waren auch Handtücher und Servietten, die man bei Lehmkes jederzeit brauchte. Geradezu Betriebskapital für ein Restaurant. Und wenn Lehmkes vielleicht auch nicht das Recht auf ihrer Seite fanden, wenn sie das Wort Wäsche in ihrem Vertrag soweit ausdehnten – versuchen würde man’s und mußte

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