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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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man’s. Und diese Teetjens wußten das und brachten darum ihren Raub unerlaubt beiseite! Bloß ein paar Schritte – und Martha Lehmke konnte dazwischenfahren, Halt rufen, selber Polizei spielen. Wenn ihre Dörte, jetzt im BDM. – Bund Deutscher Mädchen – heute, morgen oder übermorgen nachmittag heimkam von der Erntehilfe aus den Vierlanden, dann mußten sie es unternehmen. Einen freundschaftlichen Besuch machen, warum denn nicht? Aber auch einen Blick in den Wäscheschrank werfen. Konnte ihnen ja niemand verargen, nicht wahr? Und wenn die Stine ihr Schlafzimmer so gerne behalten hätte, Albert aber keinen Rebbach mehr machte oder heimbrachte, gab es jain Hamburg Gegenden, wo eine hübsche Frau – und dafür hielt sich Stine doch – Ersparnisse ernten konnte, wenn sie es verstand, an der richtigen Stelle keine Umstände zu machen. War der Herr Footh für den Albert nicht mehr zu sprechen – der Stine hätte er früher gerne das Schürzenbändel aufgebunden und wahrscheinlich noch mehr, und warum sollte sich das geändert haben? – Spielte man lieber die Schlächtermeistersgattin und saß zu Hause, so trug man eben die Kosten und zog weg. Wenn es nur bald regnen wollte! Diese Windstille und Schwüle zwischen den Häusern – kaum mehr auszuhalten.
    An einem der nächsten Nachmittage erreichte die Spannung und das Unbehagen der Wetterlage einen Höhegrad, den die meteorologische Station mit Kopfschütteln registrierte. Na ja, in Hamburg im Hochsommer, norddeutsche Tiefebene, Europa kontra Atlantik. »In Basra«, sagte Kapitän Carstanjen zum Beispiel, »würde mich das da«, und er deutete mit dem Daumen auf den Himmel, dessen Blau gelblich verfahlte, »nicht wundern; nicht mal in Alexandrien. ›Sandsturm‹ würden wir sagen und die Bullaugen schließen. Aber hier ins uns olle Hamburg ...« und er ließ die Stimme schweben und wunderte sich. Vielleicht merkte man oben auf der Spitze der Michaeliskirche schon etwas vom Streit der Luftzyklopen oder Zyklonen, der sich ankündigte; unten auf den Kommandobrücken, den Dächern der Häuser gewahrte man nur Böen, Windstöße, bald von Norden, bald von Süden, und einen gelblicheren Nachmittagsschein, als wolle die Sonne heute schon um sechs untergehen, statt um acht. Jedenfalls flogen die Möwen aufgeregt schreiend weit über die Giebel der Innenstadt.

Siebentes Buch
Strandgut

Erstes Kapitel
Sturm im Hafen
    Vielleicht erinnert sich noch dieser oder jener unter den Zeitgenossen der leuchtenden und schäumenden Flutwelle, welche damals die führenden Schichten und ihre Völker der auf Befehl und Gehorsam gestellten Staatswesen zur Höhe trug. Wie japanische Generäle und ihre Heere und Flotten aus dem ungeheuren Leibe Chinas ganze Reiche schnitten, ohne daß irgendeine Macht außerhalb der Sowjetunion dagegen wirksame Einwände vorbrachte. Wie man dem römischen Cäsar gestattete, ein Weltreich aufzubauen, das Ostafrika umfaßte, Aden bedrohte, nicht nur das östliche Mittelmeer, sondern auch das Rote Meer in ein Mare nostrum verwandelte und nach Ägypten ausstrahlte, nach den arabischen Staaten, Palästina, Persien. Wie die spanische Regierung, das spanische Volk, durch die Schließung aller Grenzen, zu Land wie zur See, abgewürgt wurden. Wie man dem deutschen Diktator zuliebe die lebendige Tschechoslowakei in Stücke riß. Und wie die Namen dreier deutscher Ortschaften: Berchtesgaden, Godesberg und München, statt auf der Karte der Ferien und Erholungen auf derjenigen politischer Entscheidungen und Verhängnisse die Öffentlichkeit der Welt faszinierten. Niemand dachte daran, daß noch jede Flutwelle sich überschlagen und den tollen Schwimmer oder Ruderer zumindestens so tief hinuntergeschleudert hat, wie sie ihn emportrug, wenn sie ihn nicht überhaupt unter ihrer ungeheuren Wucht und Wassermasse begrub. Dem Mitlebenden von damals jedenfalls, besonders dem Deutschen, war das Gefühl des Emporgerissenwerdens nicht übelzunehmen, eines Aufschwungs, der ihn mit Gesprüh, blendendem Schaum, brausenden Winden und glitzernder Hochflut betäubte. Er mußte schwimmen, im Tempo bleiben, den Atem einteilen oder zurückfallen. Daß die allgemeine Lebenshaltung ohnehin zu immer verschärfterem Daseinskampf zwang, hätte dem kleinen Mannzu denken geben müssen; die unablässigen Fanfaren und Erfolge sorgten dafür, daß er dazu nicht kam. »Peace for our time«, ein bejahrter Bürger schwenkte ein Papier und einen Regenschirm ... Vorwärts, aufwärts,

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