Das Beil von Wandsbek
zur Abschreckung gestempelt, wie heute »Made in Japan«) sich emporgearbeitet, und Solingen machte Sheffield tüchtig Konkurrenz. Aber darum blieb es doch, was es war, englisches Fabrikat, gut und teuer. Albert derweil, den Holm mit der Linken umfassend, klopfte mit dem rechten Zeigefinger auf das blaßgraue Blatt: es klang. Der schwache Ton, zart und rein, erfreute sein musikalisches Ohr; er verspielte Minuten, indem er den Klang mit verschiedenen Gegenständen hervorlockte, mit einem Schlüssel, einem Kochlöffel, seinem Taschenmesser, das in einer Lederhülse steckte. Der Kochlöffel klang entschieden am besten und brachte ihm ein Soldatenlied ins innere Ohr, wer wußte wohl darum, »Ich schieß den Hirsch im wilden Forst, im tiefen Wald das Reh«. Nein, Großvater hatte nicht gegeizt. Alsbald ließ er es im Handgelenk spielen, im Ellbogen, in der Schulter. Teufel, war er eingerostet! Er würde kein schlechtes Training nötig haben, seiner Sache aber gewachsen sein, das Vertrauen nicht enttäuschen, das man in ihn setzte.
Er schlug die Axt wieder ein, schritt im Zimmer auf und ab. Natürlich stellten sich die Narren vor, ein Schlächtermeister von heute hacke ununterbrochen nichts als Köpfe ab. Dabei hatte sich das Gewerbe genau so fortentwickelt und zerteilt wie jedes andere. Er, Albert Teetjen, hatte mit dem Töten von Tieren schon lange nichts mehr zu tun. Der Großverband der Schlächter und die Belegschaft des Zentralschlachthofs besorgten, daß es ging wie geölt. Als Gehilfe und schon als Lehrling seines Vaters hatte er diesen ganzen Betrieb ja mitgemacht, den Rindern die Masken vorgebunden, den Gehilfen die Bolzenpistole gespannt und gereicht, die den Tieren einen betäubenden Stahlpflock ins Gehirn jagte, dann das eigentliche Schlachten erlernt, den Kehlschnitt,das Ausbluten, das Ausweiden, Abziehen, Zerlegen. Nun, das lag zurück, laß sehen, ein Vierteljahrhundert. Mit dem Beil ging man in der Neuzeit um, wenn man den toten Körper zerlegte, Markknochen aufspaltete usw. Zu Vaters Tagen zierten noch halbe Kälber oder Schweine, der Länge nach vom Haken hängend, die Wände des Ladens, womöglich in der Nähe der Tür, die Hausfrauen anzulocken. Eindrucksvoll für Kinder, auch für die des Schlächtermeisters. Sohn eines Herrn über Leben und Tod ... Geschichten sponnen sich von den Köchinnen zu den Kindern, haarsträubend anzuhören und zum Schmunzeln für Kenner: von Bengels und Gören, die in die Wurstmaschine fielen oder im Pökelfleisch verschwanden ...
Einem Manne, der so mit Axt und Messer umging – man tat wohl, sich ihm zu fügen. Daß der Sohn das Geschäft des Vaters übernahm, ergab sich unter solchen Umständen leicht. Man trat in seine Fußstapfen und wollte nichts zu tun haben mit Gesindel, das sich auflehnte, Gehorsam und Gefolgschaft verweigerte, die Treue brach. Die Axt des Großvaters würde noch zu Ehren kommen.
Während er so mit langen Schritten Laden und Wohnzimmer durchmaß, bis es Zeit wurde, den Footh anzurufen, sah er, sich erinnernd, den Vater hinter seinem Ladentische hantieren, mit leisen Schlägen der Axt Gelenke auseinandertrennen, Kalbskoteletts, Schöpsenkeulen. Ja, der war ein Virtuose gewesen auf diesem anscheinend so plumpen Instrument, Beil und Block. Ein Kalbshirn aus dem Schädel zu holen, ohne das dünne Häutchen zu verletzen, das es überzog, dafür gab es niemanden besseren als Schlächter Teetjen. Und was für ein Künstler war er mit Messern! Er liebte sie auch, hielt sie beständig scharf und sauber, ja, es setzte manchen Katzenkopf für Sohn und Lehrlinge und manchen Anschnauzer für die Mutter, wenn sie es dabei an Sorgfalt fehlen ließen. Daß Schlächtermesser keine Küchenmesser seien, mit denen man Holz und Papier schneiden durfte, das führte zu Auftritten mancherlei, bis die Frau es einsehen lernte und nachgab. Freilich stammte sie aus einer eigensinnigen Familie, die Tochter eines Schäfers und Imkers, aus Buxtehude zugezogen, die Anna Posthorn; war als Dienst- und Aufwaschmädchenim »Krug« von Winterhude angestellt worden und hatte schließlich den Philipp Teetjen genommen. Mit ihr war »Gesang in die Schlächterei eingezogen«, allerdings auch gelegentlich ein Anfall von »zweitem Gesicht« – aber davon sprach man nicht – und eine Leidenschaft für Wäsche. Wie Albert das Wasser schleppen und aus den Eimern ins Waschfaß gießen durfte! Weit über seine Kräfte strengte sich der Vier-, Fünfjährige an, es der Mutter recht zu machen,
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