Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
Vom Netzwerk:
allgemein hochschätzte. Nun, einerlei, ob der Alte sich bedankte, Annettchen tat es, sie würde es noch weiterhin beweisen, hätte es auch wohl heute getan, wenn Footh sich nicht im Klub hätte zeigen müssen. Skatabend, jeden zehnten, zwanzigsten und letzten Tag im Monat. Es kam immer etwas dabei heraus. Informationen, Geschäfte oder, last not least, Gewinne, obwohl man sagen durfte, er habe Glück in der Liebe.
    Dann mußte er Gas wegnehmen, sie näherten sich der Stadt, rote und grüne Ampeln hingen unter dem dunklen Himmel. Diese Käte Neumeier schien eine ganz patente Person, gut gewachsen, junge Augen, hätte einen Käptn in besten Jahren noch ganz glücklich machen können. Sollte übrigens einen Neffen in der SA. haben, Bert Boje, Zeichner im Tiefbauwesen, der für Annette schwärmte. Man mußte das in irgendeiner Gehirnwindung notieren, alles war brauchbar zur rechten Zeit. Segen der Fahrordnung, Segen der Stadtbeleuchtung. Passanten gehörten auf den Bürgersteig; vor den Trambahnschienen mußte man sich in Acht nehmen.
    »Lübeckerstraße oder Wandsbeker Chaussee?« fragte er, als sie sich ihrer Gegend näherten. »Wandsbeker 2«, entgegnete sie, »dicht an der Ecke.« – Dann bremste er, half ihr hinaus, sie bedankte und verabschiedete sich, und während die Haustür hinter ihr zufiel, und er sich gerade anschickte zu wenden, kam ihm eine Eingebung. Hier war er heute mittag mit Teetjen heruntergesaust, seiner Sache schon ganz sicher. Nun aber durfte er den Mann nicht mehr aus dem Griff lassen, mußte sich um ihn kümmern. Zusagen konnte schließlich jeder, zweitausend Mark einstecken auch; dazwischen aber mußte anständige Arbeit geliefert werden. All diese Leute neigten zum Schlendrian, ließen sich gehen, glaubten, der liebe Gott werde ihnen im geeigneten Augenblicke schon beistehen. Weit gefehlt, mein Lieber! H. P. Footh hatte diese Sache übernommen, sie mußte erstklassig klappen. Kümmerte sich dieser Koldewey nicht darum – um so schlimmer für ihn. Zum Glück war er vorsichtig in der Wahl seiner Tochtergewesen. Mein lieber Albert, jetzt nicht gefackelt. Schlafmützigkeit wird abgemeldet, bis der »Job« getätigt ist. Morgen früh beginnt dein Training. Und Herr Footh wußte schon, wie. Carstanjen versah sich mit Frischfleisch, und übermorgen war »Einäuglein« fällig, die aus Tampico kam und gleich wieder auslaufen sollte, nach Konstanza am Schwarzen Meer. Irgend etwas bereitete sich vor, das Luftministerium füllte mit Schwung alle seine unterirdischen Reservoire. Für fast siebenhundert Taler durfte ein Fleischer seine Axt wohl schwingen – Rindfleisch, Kälber, Schweine. Mein Albert, da mußt du ran. Muskeln und Handgelenke gratis spielen lassen und deinen ollen Footh nicht blamieren.
    Er hatte Notizblock und Bleistift im Wagen. Beim Lichte der Straßenlampe schrieb er, auf die heiße Motorhaube gestützt: »Heute halb zehn Anruf Büro. Footh.« Diesen Eilbrief würde er gleich unter der Ladentür durchschieben. Der Wagen machte es schneller als die Post. Und Frau Teetjen sah nicht nach Faulpelz aus. Morgenstunde hat Gold im Munde.

Viertes Kapitel
Training
I
    Daß Kriegskameraden einander kennen, erweist sich oft nur als Vorurteil. Wenigstens hätte Albert Teetjen Grund gehabt, dies gegen Herrn Footh auszuspielen. Schon früh des Morgens kniete er vor dem Schrank im Schlafzimmer, aus dessen Grundschubladen er Stinens Vorrat an Sparwäsche entnahm, die zusammengelegten Laken und Bettanzüge sorgfältig auf den Fußboden türmend. Zu allerunterst in der linken Lade, seit langem nicht mehr angeschaut, fand sich ein in Öltuch gewickelter Gegenstand, einem Musikinstrument nicht unähnlich. Als er das Linnen wieder an seinen Platz gebracht und die schwere Schublade ohne besondere Mühe geschlossen hatte, entpuppte sich das Musikinstrument als Beil – ein Beil mit breiter Wange und leichtgekrümmter Schneide. Albert hatte es den Vater noch handhaben sehen; esstammte aber von seinem Großvater, dem Böttcher Teetjen aus Winterhude, und bestand aus bestem Stahl, in Sheffield gefertigt. Es war wohl nicht handlich genug für die Tagesarbeit des Vaters gewesen, der es gleichwohl immer hoch in Ehren gehalten hatte: englischer Stahl! Als dieses Beil importiert wurde, war Solingen noch nicht Solingen und Essen noch nicht Krupp, und die Engländer genossen darauf ein Monopol, wie später auf Panzerplatten. Nun, inzwischen hatte sich viel geändert, die deutsche Industrie (erst »Made in Germany«

Weitere Kostenlose Bücher