Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
Vom Netzwerk:
nannten, Kommunisten des Mittelalters, mußten es sich, da die Hamburger in diesem Punkte niemals Spaß verstanden, denn wohl gefallen lassen, mit Stumpf und Stiel ausgerottet zu werden. Gerade wieder unterhielt Herr Koldewey seine Besucherin Käte Neumeier mit der oft erzählten Anekdote, wie bei ihrer Hinrichtung ein Senator den bis über die Knöchel im Blut stehenden Scharfrichter teilnahmsvoll gefragt hatte, ob er denn noch kräftig genug sei, das anstrengende Werk zu vollenden. Och, habe der Gefragte erwidert, er fühle noch Stärke genug in sich, um den ganzen edlen Senat, wenn’s nottue, hinzurichten. Welcher majestätsbeleidigende Scherz ihn selbst auf den Richtblock brachte. – Käte Neumeier lächelte, in einem bequemen Klubsessel von einer Zigarette erquickt, und wartete, bis sich Philosoph Koldewey geneigt zeigte, auf die Gegenwart zurückzugreifen. Ja, er hatte mit der Staatsanwaltschaft schon Fühlung genommen. Herr Russendorf, den Dr. Käte ja kannte, blieb der umgängliche Herr auch im dienstlichen Gespräch. Es waren Gnadengesuche eingelaufen, wenn auch nicht von allen Beteiligten; viel Wert dürften sie nicht haben. Die Haupttäter und Rädelsführer Herr Timme und Herr Mengers übrigens hatten dergleichen verschmäht, was der Wirkung der beiden anderen Gesuche natürlich nicht gerade nützte; jedenfalls, hatte Russendorf gelacht, durfte Koldewey, nachdem sich endlich der Stellvertreter für den gebrechlichen Herrn Dencke herzugefunden, vier Särge vorbereiten. Bestimmt werde man über die geübten Gehilfen des Herrn Dencke verfügen und von seitender Staatsanwaltschaft gegen den Gebrauch einer Maske durch den Amateur Einwände nicht erheben – Gott behüte! Sein Schwager Lintze hatte ihm schon angeboten, die lästige Angelegenheit durch eine Salve seiner Sechsundsiebziger aus der Welt zu schaffen. »Sie sehen«, hatte Herr Koldewey mit seiner halblauten Stimme unterstrichen und den langen Schädel bedeutungsvoll hin und her gewiegt, »der emigrierte Herr, dessen Aufsatz ich unserer Denkschrift nicht ohne Grund hinzugefügt, wußte hinreichend Bescheid. Etwas wirklich Ausschlaggebendes könnte man wohl nur bei Herrn Lintze erreichen, jetzt Oberstleutnant Lintze. Was früher neuntes A. K. war, heißt heute Wehrkreis zehn, aber sonst ist alles beim alten geblieben, so wie Herr von Seeckt es hingestellt hat, der auch voriges Jahr ein Ehrengrab bezog.« – »Ich möchte beinahe zu Oberst Lintze gehen, wenn es sich so verhält«, entgegnete Käte Neumeier impulsiv, die Asche von ihrer Zigarette ins Zimmer streuend, »und vorher den Timme und den Mengers sprechen.« – »Was ohne Schwierigkeiten geschehen kann. Seit wann aber, Frau Doktor«, und er hob seine Lider von den hanseatisch vorgewölbten Augen, »weilt Ihr Interesse bei den Delinquenten?« – Käte Neumeier blickte auf, ihm ruhig in die Augen: »Ich habe mich inzwischen mit ihnen beschäftigt. Es sind schließlich Landsleute und der Timme sogar eine Jugendbekanntschaft, als wir noch schön, grün und sozialdemokratisch wählten. Er war kein Durchschnitt, Friedel Timme.« – »Auch der Israelit Mengers ist kein Durchschnitt«, bestätigte Koldewey, »die Bücher, die er aus der Anstaltsbibliothek bestellte, waren in ihr weder enthalten, noch je verlangt. Friedländer, Sittengeschichte Roms! Bachofen, Das Mutterrecht! Delbrück, Geschichte der Kriegskunst! Was dachte sich der Mann von uns?« Und Herr Koldewey stieß ein Meckern aus und zog seinen Kinnbart wie den einer Ziege lang. »Übrigens ließ ich mir diesen Bücherzettel gefallen, bestritt die drei Bestellungen vom Budget unserer Gefängnisbibliothek, Rubrik Neuanschaffungen, und hatte für drei gehaltvolle Autoren zu danken; worauf auch Herr Mengers sie erhielt. Der Delbrück ist übrigens sündhaft teuer, weswegen wir auch nur den ersten Band anschafften. Zeit für eine Volksausgabe.« – »Dann mach ich’s gleich«, damit stand FrauKäte auf. »Langsam, langsam mit die jungen Pferde«, bremste er ihren Eifer, »bei Tageslicht wissen die Männer mit ihrer Zeit, ihrer schließlich knapp zugemessenen Lebenszeit, allerhand anzufangen. Da Sie als Patronin in die Zellen dürfen, verschaffen Sie ihnen gleichzeitig die Vergünstigung länger Licht brennen zu dürfen, wenn Sie nach Anbruch der Dunkelheit hinübergehen. Ich bin selbst neugierig, ob Sie etwas ausrichten werden. Finden Sie es nicht überaus komisch und bezeichnend für unsere Epoche, daß jemand die Herren Gefangenen

Weitere Kostenlose Bücher