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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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klar und deutlich, die beiden seien im Auftrage des Außenamtes der NSDAP. im Orient tätig, als Agenten, welche Aufstandsbewegungen in Syrien und Palästina unter den Arabern schürten, Geld ausstreuten und ihre Tätigkeit bis weit zu den Beduinen der Wüste und den Persern des Iran auszudehnen hatten; da war es denn klar, daß sie eines kümmerlichen Prozesses wegen nicht nach Hause gerufen werden konnten. Zur Hauptverhandlung waren sie schließlich da. Aber auch die dauerte noch lange genug. Ging es doch um den Kopf von vier jungen Männern, die sich zäh gegen die Anklage wehrten, Umsturz gegen die neue Form der hamburgischen Staatsregierung geplant zu haben, und überhaupt nur in der Verteidigung geschossen haben wollten, sich mit Waffen, die sie den Nazis entrissen hatten, gegen die Nazis wehrten. Aber es half ihnen nichts; wer kommunistischer Gesinnung verdächtig war oder gar zugeben mußte, ehemals Organisationen der KPD. angehört zu haben, hatte damit schon ein Verbrechen eingestanden, für das es im Dritten Reich nur eine Sühne gab.
    Friedrich Timme ... damals hieß er Friedel. Sie selber war noch ein junges Ding, gerade dem Wandervogel entwachsen; sie hatten sich auf gemeinsamen Fahrten kennengelernt, nur um aufs heftigste zu diskutieren. Beide auf dem Boden sozialdemokratischer Weltanschauung fußend, drängte er als Kind des Proletariats nach links, Käte als Bürgerstochter innerhalb der Partei mehr nach rechts. Seine hübschen, trotzigen Lippen hatten siegeküßt, seine Arme sie nur im Tanz umfangen. Dann war er, kaum siebzehn, in den Krieg gegangen, gegen den Zaren, die russischen Ketten. Als sie ihn Ende neunzehnhundertachtzehn wieder sah, hatte er sich eine vorübergehende Berühmtheit erworben, einer der Rädelsführer jener Militärrevolte, die sich um den neunten November in Hamburg abspielte. Der Gefreite Timme hatte, mit dem Revolver in der Hand, die verwirrten Vorgesetzten gezwungen, die von höherer Stelle angeordnete Einsetzung von Soldatenräten ernst zu nehmen, Prüfung der Regimentskasse zu gestatten, ihm als Vertreter der Mannschaft dem Adjutanten gegenüber einen Platz am Schreibtisch einzuräumen, den Rückweg von der Front zu beschleunigen. Auch während der Zeit, in der das Heer demobilisiert wurde, hatte er die Mannschaft in gemeinsamen Sitzungen mit den Arbeiterräten vertreten und von der Magazinverwaltung die Ausfolgerung guter, neuer Monturen, Schuhe und Mäntel als Entlassungsanzüge überwacht – ein Anhänger Karl Liebknechts, den er auf Regimentskosten in Berlin aufgesucht hatte, um ihn nach Hamburg einzuladen. Wäre er nur damals gekommen, in Hamburg geblieben! Nie hätten die Mördergarden aus dem Eden-Hotel an ihn und Rosa Luxemburg ihre Hände legen dürfen. Das hatte er der Genossin Käte bei einem Wiedersehen zugeschworen, er damals schon auf dem Weg zum Spartakus-Bund und der kommunistischen Partei Deutschlands, während sie der Meinung war, der Weg Friedrich Eberts sei der rechte, für das besiegte Deutschland einzig gangbare. »Na, denn ade, Käte«, hatte er gesagt, »schade um dich, feines Mädel. Wirst das Proletariat nie verstehen und schon erleben, wohin das führt.« Nun, sie hatte es zu Karl August Lintze geführt, der damals auf dem Auslandsinstitut der Universität Hamburg sich für die konsularische Laufbahn vorbereitete, für das vielversprechende Südamerika, und dann stand lange sein Photo zwischen zwei Glasscheiben auf ihrem Nachttisch, sein Gesicht mit den zupackenden, hellen Augen, der fast zu schmalen Linie der Lippen. Jetzt lag es in der Schublade. Mit seiner Germanenschwärmerei hatte er sie fortgerissen, seinem Stolz auf die eigene Vorgeschichte, die nordische Rasse, den Beitrag zur Weltkultur. Gemeinsam hatten sie sich für die Ura-Linda-Chronik begeistert und sich gegen denGedanken gewehrt, sie könne eine Fälschung sein. »Kümmerlicher Neid unserer semitischen Mitbürger«, hatte K. A. wegwerfend erklärt, von Friedel Timme aber gelegentlich bemerkt, der sei nur durch Zufall und zu Unrecht dem Sandhaufen und dem Kommando »Legt an, fertig, Feuer!« entkommen. Nun ja, sein ältester Bruder, der Otto Lintze, war nicht umsonst Oberleutnant und Nachrichtenoffizier bei den Sechsundsiebzigern, dem hanseatischen Infanterieregiment und von der Reichswehr übernommen; indes seine Schwester Paula, die nur aus Versehen nicht Ingeborg oder Thusnelda hieß, den Staatsanwalt Russendorf geheiratet hatte. Artstolz, volksbewußt, heimattreu,

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