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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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einreichen. Käte Neumeier, bestürzt von seinem Mangel an Verständnis für die eigene Lage, wünschte seufzend, es möge nur noch nützen. Dafür aber bat der sonderbare Mensch um einen Gegendienst. Er betätigte sich unter anderem auch als Schriftsteller. Er hatte einen Film verfaßt über das Leben von Karl Marx – nicht ängstlich realistisch, sondern expressionistisch. Falls ihm, Mengers, wirklich etwas zustoße, bitte er Frau Dr. Neumeier, in Glasmoor nach seinen Papieren zu forschen. Hier in Fuhlsbüttel habe er nur Materialien zu einer Biographie des verstorbenen Paul Levi gesammelt – des Berliner Anwalts und Abgeordneten, durch dessen Schicksal die Angeln der Republik gingen, der Türen, die zufielen, als ihn das Fieber und die Grippe aus dem Fenster schleuderten. Er werde sich doch, schloß er, mehr als einen Foliobogen geben lassen und das Schema dieser Lebensbeschreibung schwarz auf weiß niederlegen. Und damit dankte er dem guten Genius der Lene Prestow, der Frau Doktor zu ihm gesandt habe, und versprach, noch genauer zu skizzieren, wo in Glasmoor sein Karl-Marx-Manuskript versteckt sei. Und er verabschiedete sich, als Käte Neumeier die Tür öffnete, mit einer Verbeugung, die zu seiner Gefängnistracht kaum passen wollte, indes er seinen Kopf mit freundlich dankenden Augen auf die linke Schulter lehnte.
    Der Wachtmeister, einst Schließer genannt, kam ihr vom Ende des Korridors entgegen. Er hob die Hand, was einen Gruß ebensowohl andeuten konnte wie ein Winken. Die Patronin schritt auf ihn zu, vom Erfolg gestrafft, aber auf die eigentliche Begegnung dieses Nachmittags voll Ungeduld gerichtet. Er meldete, die Nummern Dreihundertsiebzehn und Dreihundertzwanzig hielten sich bereits im Besuchszimmer zu Frau Doktors Verfügung. Damit öffnete er die Tür eines Aufzugs, sie durchsanken das Treppenhaus, seine nüchterne Architektur aus Stahl und Beton erhielt etwas Rhythmisches in diesem Querschnitt, dann schlug Käte den Weg zum Besuchszimmer ein: »Es wird nicht zehn Minuten dauern. Bleiben Sie ruhig dabei. Wir lassen denKäfig hier warten. Ich will ohnehin gleich wieder hinauf.« – »Zu Dreihundertneunzehn, jawohl«, bestätigte der Beamte mit leicht krähender Stimme. Er freute sich, daß er nicht weggeschickt wurde, der Langeweile des Wartens überantwortet, sondern daß er dabei sein durfte, sei es überhaupt, sei es, wo etwas Menschliches geschah. Er kam auch auf seine Rechnung; die Ärztin sprach sehr freundlich zu den beiden Werftarbeitern, jungen, stämmigen Burschen um die fünfundzwanzig, beide blond, sauber gescheitelt, unbekümmerten Blicks. Der Besuch war ihnen fremd, aber sie wußten von der Dame, den Anteil, den sie an Lene Prestow genommen hatte, Patronin der Weiberkaserne nebenan. Achselzuckend ließen sie sich loben, weil sie die Flinte nicht ins Korn geworfen hatten, nicht zu stolz gewesen waren, Gnadengesuche einzureichen, für deren Erfolg mindestens 50 Prozent Aussicht beständen. Sie waren zu höflich, ein Lachen zu zeigen. »Ja, Frau Doktor«, sagte Merzenich, »wir sind ja nu militärpflichtig. Wenn der Hitler seinen Krieg im Osten macht und es geht wegen Danzig los, denn sind wir ja ohnehin am dransten. Ob uns ’ne Bombe die Kohlrübe einschlägt oder der Schinder hackt sie uns ab, das ist ja wohl Jacke wie Hose.« – »Wär’ eben hübsch, man hätt’ noch ’ne Galgenfrist«, damit schloß sich Schröder seinem Schicksalsgenossen an; es waren auch, betonte er, hauptsächlich seine Eltern und der Anwalt, die ihn breitgeschlagen hatten, das Gesuch zu unterzeichnen. Vor diesem Skeptizismus war es der Besucherin leicht, auszuweichen oder auszureißen. »Na, dann führen Sie mich man wieder in die Oberwelt, Herr Wachtmeister«, schloß sie die Unterredung und verabschiedete sich mit einem Kopfnicken, kühler als sie gewollt. Daß Merzenich seinem Kameraden respektlos zuraunte: »Da geht sie hin, die Kaiserin«, entging ihr möglicherweise, vielleicht aber auch nicht.
    Schon von diesseits der Tür, schon im Gange, hörte man einen Mann in seiner Zelle auf und ab wandern, die Sohle einer seiner Schuhe knarrte rhythmisch. Als Käte Neumeier eintrat, stockte der Häftling, der gerade mit dem Rücken zur Tür aufs Fenster zuschritt, drehte sich um und sagte: »Na also.« –
    Später auf der Rückfahrt, nachts neben Annette, gab sich Käte Neumeier Rechenschaft darüber, warum sie eine stoßartige Berührungihres Innersten erlebt hatte, als sie den Strafgefangenen Timme so jäh

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