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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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beweisen, daß sie diese Angst nicht kennen, etwa »Mariechen saß auf einem Stein, da kam der Bruder Karl herein und stach Mariechen in das Herz«.
    Stine erfuhr das Geheimnis denn auch an einem durchschnittlichen Wochentag, vormittags, während Albert kleine ausgelöste Stücke vom Rind und Schwein durch die Fleischmühle drehte,ein beliebtes Gemisch herstellend, sogenanntes »Faschiertes«. Stine putzte inzwischen die messingnen Schalen und Gewichte einer altmodischen Waage, die neben der modernen Federwaage mit ihrer Skala und ihrem Anzeiger den Ladentisch zierte und noch von Alberts Vater stammte, dem Schlächtermeister Philipp Teetjen, an den sich noch Dutzende von Kunden in Wandsbek erinnerten. Albert überzeugte sich, daß sie bei dieser Beschäftigung saß; man soll einer Frau nicht mit Überraschungen kommen, wenn sie in den Tagen ihrer Periode ist und just steht. Das Eintreten dieser Periode, zwischen Eheleuten oft Gegenstand von Aufmerksamkeit und Gespräch, bot auch Teetjens manchen Anlaß dazu. Stine mochte Kinder gern, Albert nicht. Sie hätte gern eigene auf dem Arm getragen und an ihrer Brust genährt. Albert aber, mit dem Rechenstift nach Feierabend, bewies ihr, daß durch die Inflation von 1923 Kindersegen für sie beide ein »Leck im Boote« wäre, das eine Fleischerei nicht zu stopfen vermochte. Als die Partei zur Herrschaft kam, deren unabänderliches Programm Rücksicht und Hilfe jeder Art für den Gewerbetreibenden in Aussicht stellte, glaubte Stine, ihr Weizen werde jetzt blühen und ihr Körper kleine pralle Früchte tragen dürfen – aber die Monatsbilanzen bewiesen es anders. Und sonderbar: als wäre er Albert bis in seine innersten Fasern angeschlossen, weigerte er sich zu empfangen. Obwohl sie leichtfertigerweise – denn sie wollte sich ja endlich fruchtbar zeigen – seinen Vorsichtsmaßregeln in keiner Weise nachhalf und von sich aus nur zögernd etwas tat, wenn sich ein kleiner Unfall ereignet hatte, ward sie mit einer Regelmäßigkeit, um die eine Beamtin sie hätte beneiden können, alle sechsundzwanzig Tage unwohl und vergoß ihr Blut. Ihre Ärztin, Frau Käte Neumeier, die allerhand gelesen hatte und sich manches durch den Kopf gehen ließ, war einmal abends schlaflos im Bett auf einen Gedanken gestoßen, um dies Geschehen einzuordnen. Das Wahrscheinliche blieb, daß Stine Teetjen mit gewissen Tanten und Urtanten Geisowscher Linie Unfruchtbarkeit gemein hatte, taube Eierchen allmonatlich abstoßend. Nach den Mendelschen Gesetzen traten solche Ausnahmen immer einmal wieder auf. Es konnte aber auch recht wohl sein, daß sich in Stine Teetjen selber etwas wehrte, gegen das Metzgerhandwerkihres Mannes nämlich. Sie selber hatte der Ärztin lachend einmal erzählt, wie komisch es für sie war, just einen Schlächter zu heiraten. Sie stammte aus einem Sektiererhaus, von Mennoniten, Adventisten. Käte Neumeier mangelte die Fähigkeit, diese sonderbaren Schwärmer auseinanderzuhalten. Stines Großmutter hatte die Anerkennung des Sonntags verweigert und ihrer Enkelin beigebracht, der Herr am See Genezareth, der Prediger der Bergpredigt, habe nur den Sabbat als Ruhetag eingehalten, der Sonntag sei Menschenwerk. Sie hatte denn auch dafür gesorgt, daß Stine in einem bibeltreuen jüdischen Hause als Dienstmädchen eine Stelle annahm, und ihr auch eine Abneigung gegen jeden Fleischgenuß eingeimpft. »Und so eine wie ich muß sich in einen Schlächter verlieben«, hatte Stine berichtet. »Gar keine kleine Sache, wie sich das herausstellte. Ich dachte auch, ich würde mich viel stärker dagegen wehren, als der Albert um mich anhielt. Aber, Frau Doktor, ich tat’s nicht. Keiner weiß ja, wo die Liebe hinfällt, und er war doch immer so ein netter Kavalier. Und ich hatt’s nicht zu bereuen, weiß der liebe Himmel. Und den Sektenkram, die ›ernste Bibel‹-Forscherei, die ließ ich ja denn auch sausen.« – Dr. Neumeier, in ihrem Bette ausgestreckt, hatte beim Überdenken dieser Mitteilungen und Tatbestände ein Fragezeichen an diese letzte Aussage geknüpft und sich vorgenommen, einmal mit einem Kollegen darüber zu reden, vielleicht in Fuhlsbüttel mit dem jungen Laberdan. War es dem großmütterlichen Einfluß zuzutrauen, so tief zu reichen? Die Empfängnis zu verhüten, bei der ein Metzgermeister die Vaterrolle spielte? Wie dem auch war, sie hatte diese Absicht bald vergessen. Stine selber aber war natürlich weit von solchen Spekulationen entfernt. Eben jetzt hockte sie auf ihrem

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