Das Beil von Wandsbek
Fliegerbomben und einen Waldbrand vernichtet worden; dem Messing aber war kein Schaden geschehen, und die riesigen Haufen abgeschossenerKartuschen bewiesen, daß die Batterien, jede zu acht Geschützen, ihre Fliegerbomben wohl verdient hatten. Unteroffizier Footh also und Gefreiter Teetjen verbrachten einen ganzen Sommer und Herbst damit, die Messingteile herausschrauben und von den Gefangenen in langer Prozession dicht an den Njemen herantragen zu lassen, was mit viel Behagen und Spaß geschah. Denn es gab unangenehmere Aufgaben für Gefangene, wie man sich denken konnte. Der Winter nun deckte das kleine Messinggebirge mit Schnee zu, und die Stelle, die es einnahm, war nur Footh und Teetjen vertraut, die ihren Fund und seine »Hortung« – so nannten es die Dienststellen von Ober-Ost – pflichtgemäß zum Abtransport gemeldet hatten. Aber der erfolgte nicht. Der Amtsschimmel wollte geritten werden. Und das Bahnnetz hatte von Ende siebzehn ab Divisionen nach Westen zu transportieren, eine fechtende Riesenarmee mit allem Zubehör an Geschützen, Feldküchen, Vorräten und Munition. Der Messingschrott lief ja nicht weg, und inzwischen durften die deutschen Hausfrauen all ihr Küchengerät, die Mörser, Türklinken und selbst die Ofentüren auf dem Altar des Vaterlandes darbringen. Als dann der Schluß kam, der so ganz anders ausfiel, als man gedacht hatte, türmte sich, inzwischen von Grünspan gefleckt, noch immer das Messinggebirge unmittelbar auf den Uferböschungen des Njemen. »Und da hatte nun Footh den rettenden Gedanken. Er besprach sich mit den Flößern, die dort wohnten, ermächtigte sie, aus gefällten Stämmen der Forstabteilung Flöße zu bauen, lud mit Hilfe der Gefangenen unter meiner Aufsicht den ganzen Kram darauf, versprach den ›Flissaki‹ als Fährlohn den Ertrag des Holzes, das sie in Memel verkaufen sollten, und fuhr so mit mir und dem ganzen Schatze stromab. Ich hatte meine Harmonika dabei, es war eine fröhliche Heimfahrt, kannst dir’s denken. Junge, zu dieser Jahreszeit war noch nie Holz den Njemen abwärts verfrachtet worden, und unser Messing hatten wir mit gelieferten Zeltbahnen zugedeckt, die in Memel auch einen ganz hübschen Preis erzielten – ich oben drauf mit meinem Quetschpiano – ›in der Heimat, in der Heimat, da gibt’s ein Wiedersehn‹. Und diese Flöße auf dem Njemen waren der Anfang der Reederei Footh, wie du sie heute glänzen siehst. So was bringtMenschen zueinander und hält sie auch beisammen.« – »Schöne Geschichte«, schmunzelte Otto Lehmke, »wärmt das Herz. Da sieht man doch, was ein Mann und ein Zugriff ist. Das waren noch Zeiten! Was will da das bißchen Beute besagen, das bei der Machtergreifung für uns abfiel. Aus den paar Möbeln und Büchern von damals hätte kein noch so flinker Footh den Kern zu solch einem Betrieb zaubern können. So was ist ja wohl noch einen Kümmel wert. Und was hat’s dir diesmal eingetragen? Prösterchen, Albert.« – Teetjen wußte, der Lehmkesche Vorrat an Tischwäsche hatte sich verdoppelt in jenen Januartagen. »So fragt man Leute aus, Otto. Mundgehalten muß auch mal werden. Aber darum keine Feindschaft nich, dein Köhm ist prima. In diesem Sinne prost.«
Auf solche Weise beugte man auch Fragen vor, die von SS.-Kameraden hätten gestellt werden können, wenn Lehmke nicht dicht hielt. Es war besser, wenn niemand wußte, daß er jetzt Bargeld im Schub hatte. Da die Zeitung von seiner Heldentat schwieg, ließ sich das ohne Mühe bewerkstelligen, vor allem auch weil in diesen Wochen alle Aufmerksamkeit von den heimischen Dingen weggelenkt wurde. Der Parteitag hatte im heftigsten Angriffsgeist gegen Bolschewisten und die Komintern geglänzt, den Kommunismus mit Russentum, Kulturhaß und Welteroberungsplänen gleichgesetzt und die anwesenden Diplomaten zum Kreuzzug gegen diesen Weltfeind Nummer eins wachgerüttelt. Gleichzeitig aber war in eingeweihten Kreisen, zu denen der Sturm Preester dank der Mitgliedschaft eines Redakteurs vom »Hamburger Wirtschaftsdienst« gehörte, eine andere Parole aufgekommen. Sie hieß: Bauxit, Magnesia, Leichtmetall, Erden überhaupt, und bezog sich auf große Lager dieser Stoffe in dem kleinen Österreich, das damit ja nichts anzufangen wußte, indes die deutsche Flugzeugindustrie nur mit solcher Hilfe auf den Kriegsfuß gebracht werden konnte. Daher würde, darauf mußte man sich vorbereiten, der Anschluß Österreichs in den nächsten Monaten Wirklichkeit werden. Allzu lange ja schon
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