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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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Bedenken des guten Footh in allen Ehren: sollte man Senat und Bürgerschaft, jetzt, wo man etwas Geld in die Sache stecken konnte, nicht unter ein Trommelfeuer nehmen und ihnen zeigen, welche Pflicht sie versäumten? Gott hatte dem Führer viele herrliche Gaben verliehen, und das ganze Volk dankte ihm dafür, ältere Damen sogar, behauptete man, auf den Knien. Aber der große Mann hatte teuer dafür bezahlt, fand Albert Teetjen. Er verstand nichts von Frauen und nichts von Braten. Über Enthaltsamkeit und Mönchstum ließ sich nicht streiten, das mußte jeder mit sich abmachen, obwohl Albert Teetjen ohne seine Stine die Arbeitswoche nicht hätte durchstehen mögen. Das, was der Pastor eheliches Glück nannte und wofür man beim Militär andere Ausdrücke gebrauchte, das mußte sein. Das mit dem Vegetarismus aber, daß der Unsinn sei, ließ sich wissenschaftlich beweisen. Der Mensch, sagten die Doktoren in ihren Radiovorträgen, war dem Darm nach gebaut wie das Schwein, mit Respekt zu vermelden; und wie dieses nützliche Haustier war er zum Allesfressen eingerichtet. Ein Führer, der den Vegetarier nicht nur spielte, sondern, Gott sei’s geklagt, diese Spinatfresserei aufs heftigste durchführte, ein solcher Führer war für das Schlächtergewerbe eine bittere und harte Nuß. Kein Schweinsrücken, keine Kalbskeule, nicht einmal ein winziges Hammelkotelettchen fand Gnade vor seinen Augen. Wie sollte da das Volk, diese Herde, die hinter ihm herlief, dazu angehalten werden, in der Kost richtig abzuwechseln? Hätte der dicke, gemütliche Göring, Schutzpatron der Flieger, Fleischer und Kopfabhacker, da nicht einigermaßen ausgeholfen, wo wären wir geblieben? Wie dem aber auch war: inserieren mußte man. Der Kauflust nachhelfen. An der Aufrüstung verdiente der Deutsche ungleichmäßig im Durchschnitt, aber er verdiente, und trotz hohen Lebenskosten also hatte jeder von seinem Wochenlohn etwas zum Fleischer zu tragen, sonst klappte es nicht mit der Gerechtigkeit.
    »Mit dem Footh stehst du wohl auf Duzfuß, Albert?« – Damit setzte sich Gastwirt Lehmke vertraulich zu seinem Nachbarn, der ihm soeben die achtzig Mark auf den Tisch gelegt hatte, die er ihm, zum Teil schon fast ein Jahr lang, schuldete; und er stellte zwei Schnapsgläser und eine Flasche wasserhellen Kümmels aufein Tablettchen, um das Ereignis würdig zu begehen; denn »Schulden machen, das kann jeder«, so philosophierte er, während sie anstießen, »Schulden bezahlen aber, dazu gehört schon Mumm und Anstand, mehr als ein durchschnittlicher Mensch besitzt.« Und er erzählte, halb lachend, halb empört, nachdem sie den süßen, brennenden Geschmack auf Zunge und Gaumen ausgekostet hatten, die Geschichte eines Düsseldorfer Gastwirtssohns, eines echten, windigen Rheinländers, dem er, Lehmke, verrückt genug, am Anfang seiner Laufbahn auf ein paar Tage hundert Mark geliehen hatte, weil die Banken gerade geschlossen waren. Der Junge war auf Nimmerwiedersehen verschwunden, vor fünf Jahren aber in Haifa, Palästina, wieder aufgetaucht, hatte in der Hafengegend ein Café aufgemacht und wußte sich nun den Bemühungen des Konsulates tapfer zu entziehen, das Herrn Lehmke sein Recht zu verschaffen suchte. Albert hörte belustigt zu. Lehmke sparte nicht mit drastisch malenden Worten, zog die porige Haut seiner Stirn in Falten, bewegte sein kleines Auge in den schweren rötlichen Lidern hin und her, den Rheinländer nachmachend, und zeigte so, wie sehr er den Unterschied zwischen jenem und dem zuverlässigen Albert zu schätzen wußte. »Mit dem Footh, ja«, bestätigte Teetjen, geneigt, noch ein zweites Glas Köhm zu genehmigen. »Hab ich dir nicht erzählt, daß er ohne meine Hilfe nie dazu gekommen wäre, etwas zu werden? Er hat es mir oft genug bestätigt, und Ruhmredigkeit ist nicht dabei. Aber hübsch ist’s doch wenn man sieht, wie einer anfing und wie weit er’s bringt.« – Und er berichtete, wie Footh und er im Jahre siebzehn, als alle »Sparmetalle« so knapp zu werden begannen, einem Suchkommando angehörten, das die weiten Wälder an den litauischen Flüssen nach solchem Material durchforschte. Es waren ihnen russische Gefangene zugeteilt, und mit deren Hilfe entdeckten sie in einer weiten sandigen Lichtung einen wahren Schatz von messingenen Kartuschen und Schmierbüchsen, an den Radnaben von Geschützen, Protzen und Lastwagen. Dort war offenbar, wahrscheinlich im Frühjahr fünfzehn, ein russischer Artilleriepark mit allem Drum und Dran durch

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