Das Beil von Wandsbek
schmachteten die Volksgenossen jenseits der Grenze unter dem katholischen Joch des Bundeskanzlers Schuschnigg. Vieles war wieder gutzumachen an den österreichischen Nazis, den einzigen, die diesen Namen mit Traditiontrugen. Der Gesandte, Herr von Papen, des Führers geschickteste Hand, tat seinen Teil, die Schanze auszuliefern. Mussolini war, anders als das vorige Mal, von seiner Wacht am Brenner abgebracht worden. Blieb das Problem, die Westmächte, diese verrotteten Demokratien, von dem Unrecht zu überzeugen, das dem deutschen Volke geschah, als man seit Versailles und St-Germain den heiß gewünschten Anschluß immer weiter verbot und verhinderte. Den Tschechen, diesen rabiaten Erzfeinden, mußten die Polen in den Rücken zu fallen drohen, überall aber der Schrecken verbreitet werden, den der Einmarsch der Roten Armee in die vom Nationalsozialismus verteidigte Gralsburg Europa bedeutete. Das galt als Mission des Führers und seiner Getreuen, zu denen die Kameraden der SS. in erster Linie gehörten. Erörterungen dieser Art füllten die Kameradschaftsabende. Daneben blieb der Befehlswechsel in den obersten Stellen der Reichswehr fast belanglos. Wer das Glück hatte, unter Adolf Hitlers Augen das neue, von ihm geschaffene Volksheer gegen den Feind zu führen, ob ein Fritsch oder Blomberg, ob ein Keitel oder Brauchitsch, ließ einen richtigen Nationalsozialisten doch kalt. Die Herren hatten ihr Metier gelernt, und wehe ihnen, wenn sie es nicht zu Adolf Hitlers Zufriedenheit ausübten. Das »Schwarze Korps« hatte schon einen adligen Kriegsminister zur Rechenschaft gezogen. Die Spuren des Löwen schreckten. Wenn solche Sprüche von dem Kameraden Redakteur Vierkant in Lehmkes Hinterzimmer fielen, strich sich Albert Teetjen den Schnurrbart und ließ seine schönen blauen Augen in der Runde blitzen. Niemand wußte, daß er eben erst seinen Teil im Kampf gegen den Bolschewismus abgedient, seine Treue bewiesen, seine Pflicht getan hatte. Ein Mann mußte schweigen können und sich darauf verlassen, daß in einem gut geordneten, auf Gerechtigkeit gestellten Staatswesen keine Leistung wirklich verloren ging.
Auch gegen seine Stine hatte er bislang geschwiegen. Zu ihrer Ehre mußte man hinzufügen, daß sie es ihm nicht erschwert hatte. Eine Frau hat ja viele Mittel, um einem Mann anzudeuten, daß sie seine Geheimnisse zu teilen wünscht, oder sie aus ihm herauszulocken, im sonntäglichen warmen Bad oder, als letzten Trumpf, im Bett. Stine aber hatte nichts dergleichen unternommen.Völlig unverändert und unbelastet von Neugierde ließ sie diese Wochen verstreichen. Es gehörte sich ja auch so für die Frau eines Mannes von seiner Stellung, in einer Stadt, deren Hafen mit seinen Tanks und Industrieanlagen, all den Werften, Docks und Kais, in dieser Zeit einer gewaltigen Aufrüstung des Reichs von zu verschweigenden Dingen nur so wimmelte. Aber sie hätte sich wichtig machen oder immer einmal wieder in ihn dringen können, gekränkt sein, daß er ihrer Verschwiegenheit nicht traute; aber nichts davon schien ihre Sache. Selbst als die ganze Angelegenheit abgeschlossen und ein schönes Häufchen blauer Lappen in einem halbleeren Briefkarton untergebracht war, selbst da unterließ sie jede Bemerkung, die über verständliche Freude und Erleichterung hinausging. Ein Prachtmensch, seine Stine. Anderseits mußte dieser Zustand enden, und zwar bald. Sie würde ja die Banknoten zur Post tragen, auf dem Postscheckamt einzuzahlen haben; denn es hieß doch wohl die Einbrecher herausfordern, wenn man ein solches Vermögen zu Hause hielt. Zwar hatte das Dritte Reich mit den Herren Einbrechern aufgeräumt. Niemand konnte leugnen, wie stark sich die Kurve gesenkt, die auf statistischen Darstellungen die Häufigkeit der Einbruchsdiebstähle und Raubüberfälle anzeigte. »Bei uns geht alles legal vor sich«, hatte der Spaßvogel unter den Kameraden, jener Redakteur Vierkant vom »Wirtschaftsdienst«, einmal bemerkt, »auch die unrechtmäßigen Bereicherungen«. Aber es wäre ja grausam gewesen, wenn ein Mann seine Ehefrau gezwungen hätte, achtzehn Hundertmarkscheine in ihre Handtasche zu tun und am Schalter der Wandsbeker Postfiliale einzuzahlen, ohne ihr zu sagen, woher der Segen stammt. Und Grausamkeit war Albert Teetjens Sache nun einmal nicht. Ein Schlächter ist nicht grausam, er betreibt sein Handwerk und empört sich mit vollem Recht, wenn die Kinder Angst vor ihm haben oder wenn sie vor seinem Laden Kreisspiele singen, um zu
Weitere Kostenlose Bücher