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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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er zum Werfer zurückkehrte. Auf und hinunter zu ihm. Aber sie bändigte den jähen Impuls, der ihr beibringen wollte, sich sofort zu erheben. Es hätte die Barfeys in Verwirrung gestürzt. Ohnehin hörte sie jetzt zum zweitenmal den Krüppel Tom fragen, ob er denn etwas Schlimmes damit angerichtet. »Schlimmes, Tom?« entgegnete sie langsam, »wer will’s abwägen? Dieser Briefumschlag hat den Reeder Footh und Ihren Nachbarn Teetjen wieder in Verbindung zueinander gebracht – zwei alte Kriegskameraden; Leute also, die sich ohnehin gut kannten. Was daraus schließlich gewachsen ist,erzähle ich Ihnen vielleicht ein andermal. Jetzt möchte ich mich empfehlen, bei Herrn Teetjen selber vorsprechen. – Sehen, ob er’s ist, den ich suche.« – Och, sagte Tom Barfey erleichtert, und seine Mutter stimmte eifrig nickend zu, dann könnte Frau Doktor ruhig noch sitzen bleiben, ein Stückchen Kandiszucker lutschen, das Frau Barfey für ihren Sohn bereithielt, falls ihm beim Adressenschreiben die Lust ankam, Kehle und Zunge zu erquicken. Heute waren die Teetjens nicht mehr daheim. Heute feierten sie einen Geburtstag oder so was ähnliches durch einen Ausflug nach Stellingen. Sie blieben bestimmt bis zum Dunkelwerden draußen. Die Stine liebte Tiere und der Teetjen die freie Natur. Ziemlich egal, ob Feld oder Wald. Ein kräftiger Marschierer, der Albert – kein Kunststück, wenn man solche Beine hatte, überhaupt Beine. Er, Tom, hatte Stellingen nie besucht, für ihn lag es so weit weg wie der afrikanische Busch oder das Polarmeer, aus dem seine Bewohner stammten. Früher war er zu klein gewesen, um sich dort hinauszurudern, und jetzt durfte er es nicht wagen, die Leute auf sich aufmerksam zu machen.
    »Auch nicht die Leute hier im Haus?« fragte Käte Neumeier, der ein Gefühl das Herz bedrückte. »Das nicht«, verteidigte Frau Barfey die Mieterschaft. »Wagnerstraße 17 weiß ja von uns und kennt den Tom von klein auf.« – »Auf die Probe stelle ich sie trotzdem nicht und führe sie nicht in Versuchung, sondern erlöse sie von dem Übel meines Anblicks – soweit man mich nicht besucht.« Käte Neumeier betrachtete das gebräunte und gescheite Gesicht des jungen Menschen, der ihr vorhin versichert hatte, wie stramm er sich an ihre Verordnung halte, seinem Körper soviel Sonne als möglich zuzuführen. »Eine Ausfahrt würde Ihnen also Spaß machen, Tom? Dann seien Sie doch um zwölf hier unten im Hofe. Meine Freundin fährt mich nach Stellingen und nimmt Sie mit. Warm angezogen, selbstverständlich, ein offener Zweisitzer, das zieht ein bißchen. Sie klettern in den Briefkasten, Tom, Sie wissen schon, was ich damit meine.« Selbstverständlich wußte Tom das. Er stieß einen wilden Schrei des Glücks aus, der Begeisterung, griff seine Mutter an den Oberarmen, schüttelte sie. »Nach Stellingen«, rief er, »denk dir, Geesche! Und in einem Auto – hast du nicht gesehen am Äquator, bei den Eisbären undwieder zurück bei Muttern, zu Reis mit Hammelleber. Wenn das keinen Glückstag bedeutet, Frau Doktor. Wenn da nichts für mich in den Sternen stand, heute nacht!« Käte Neumeier, indem sie sich verabschiedete, ging durch den Sinn, daß Herr Teetjen vielleicht anderer Meinung sein werde, immer vorausgesetzt, daß er der Herr in Frack und Maske gewesen sei, den Käte Neumeier suchte. Jedenfalls mußte sie sofort Annette anrufen, als Fahrer und als Zeugin. Eigentlich hatte sie vorschnell und eigenmächtig gehandelt, als sie Tom Barfey zu dieser Fahrt einlud. Falls Annette über diesen Sonntagmorgen schon anders verfügt hatte, mit ihrem Vater verabredet war, ihren Schwestern, Herrn Footh? Dann würde Käte Neumeier eben ein Taxi nach Stellingen bezahlen, es an anderer Stelle wieder einsparen, Frau Oberstleutnant Lintze keine Kalla bringen, sondern weiße Astern, und so fort. Aber dem Tom, der sie auf die Fährte gesetzt, den Schmerz zufügen, daß nichts wurde aus Stellingen, das kam nicht in Frage. Und sie erkundigte sich bei Frau Barfey, wo man hier in der Nähe telephonieren könnte. »In Lehmkes Bierstube, ein paar Minuten straßeauf.«
    Annette hatte natürlich über diesen Sonntagmittag schon verfügt. »Ich bin doch nicht ein solches Kind«, zitierte sie ihre Schulfreundin Klara Dohmke aus der fünften Klasse, »das zum Geburtstag keine Schlagsahne hat« – sollte besagen, daß sie am Sonntagmittag den Ladenhüter spielen, keine Verabredung haben, unbeansprucht daheim sitzen müßte. Aber dem Geheimnis der Maske

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