Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
Vom Netzwerk:
so mancher Pastor im KZ.-Lager zeigen konnte, ob ihm sein Jesus dreißig Geißelhiebe wert war. Und die Luftschutzübung – wie das geklappt hatte! Sirene, Licht aus, Rotlicht an, alle Mann in den Keller, Feuerwachen aufs Dach – es fehlte nur, daß die Flaks im Ernste bullerten. Na, wenn’s wieder so weit kam, wenn es dem Führer nicht gelang, Deutschlands Platz an der Sonne mit friedlichen Mitteln zu sichern, wenn wieder rote Mobilmachungsplakate von den Litfaßsäulen schrien und Gestellungsbefehle an der Wohnungstür klingelten: dann zeigten wir ihnen, was ne Harke war. »Was schiert mich Ruß oder Franzos, Schuß wider Schuß und Stoß um Stoß« – hatten sie damals gesungen auf dem Marsch über die Sandwege, durch die Kiefernwälder, die Tannenschonungen, neben den Äckern her, platsch, Schrapnells, weiße Wölkchen, Fliegerdeckung! Unteroffizier Footh, wo steckt Unteroffizier Footh? »... und der Franzose übergibt sich, genau wie achtzehnhunderteinundsiebzig.« – Nein, diesmal kam Albert Teetjen, der Riese mit der Wünschelrute, ein Kloß Mensch wie im Märchen, stapfte über die Tannen weg, zertrat die Schonung, folgte der Wasserader, der Goldader, und schrie: »Zum Donnerwetter, eingraben, hinlegen, volle Deckung!« Wo aber wirklich steckte Unteroffizier Footh?

Viertes Kapitel
Herr Footh in Schwung
    Ja, wo war Herr Footh? Auf einer Geschäftsreise in Berlin, wußte man in seinem Betrieb, die sich ebensogut auf die »Äuglein«-Schiffe beziehen konnte wie auf Probleme des NSKK. Daß Fräulein Blüthe gleichzeitig fehlte, gab Fräulein Petersen und dem Bürovorsteher Lens Stoff zu Unterhaltungen, kurzen, beiläufigen Winken oder längerem, lautlosem Nachdenken. Offiziell hatte Fräulein Blüthe Urlaub, er stand ihr schon lange zu und sollte in Wintersportparadiesen verbracht werden. Gleichwohl faßte Fräulein Petersen die Meinung über die Kollegin in zwei Worte zusammen: »gerissenes Aas«.
    Von Löwengebrüll geweckt werden und dennoch in einem behaglichen Bett unter seidenem Plumeau zu erwachen, ist eine Besonderheit, welche das Eden-Hotel seinen Gästen bietet. Herr Footh pflegte früher im Hotel Kaiserhof abzusteigen, wenn nicht in einem der großen Häuser Unter den Linden, Adlon oder Bristol. Diesmal aber füllten die Nachwehen des Parteitages alle bequemeren Stockwerke in der Nähe der Reichskanzlei, und so zog er den abgelegeneren Westen vor, mit seiner großzügigen weltstädtischen Atmosphäre in den Dingen des persönlichen Verkehrs zwischen einem Chef und seiner Sekretärin. Es war ja absurd, daß die Entscheidung über die Schiffe der Judenreederei Thetis in Berlin fallen sollte, nicht in Hamburg, aber seitdem das Reichsmarineministerium in diesem Spiel aufgetaucht war, hatte Herr Footh den Drang verspürt, sich nicht in Vordergründen zu tummeln, sondern an die Quelle heranzutreten, aus welcher die Wasser flossen. Es gab nicht mehr sehr viele Bissen im Deutschen Reiche zu schlucken. Parteigrößen jeder Art waren an allem möglichen beteiligt worden, was es aus der Beute des Sieges über die Systemzeit zu verteilen gab, riesige Konzerne hatten sich gebildet, einer der größten davon hieß Hermann-Göring-Werke, und er hieß nicht nur so. Herr Footh hätte sich in Hamburg beim Reichsstatthalter vorstellen können und seinen Lohn dafür verlangen, daß er die Fuhlsbütteler Schwierigkeit beseitigen half. Aber wenndie Großen wirklich mitzureden wünschten, hätte der nur die Achseln zucken können, bedauere, bereits besetzt.
    Das Schlimme für Herrn Footh bestand darin, daß er es nicht mit einem Gegenüber zu tun hatte, mit einer Person, die man kaptivieren konnte, mit einem Mann oder einer Frau, auf welche die Mittel eines gewissen bärbeißigen Charmes hätten wirken können, einer tölpelhaften Liebenswürdigkeit. Hans Fooths Laufbahn hatte sich mit Hilfe solcher Eindrücke vollzogen. Seine nicht sehr großen Augen vermochten schlau zu blicken, aufzustrahlen, verständnisvoll zu blinzeln, treuherzig zu lauschen. Aber diesesmal saßen ihm hinter Schreibtischen der verschiedensten Ausmaße und Höhen deutsche Männer gegenüber, die sich durch keinerlei Besonderheiten auszeichneten. Sie hatten schmale oder runde Gesichter, braune, schwarze oder helle Augen, gutgeformte Stirnen oder niedere, blasse oder breite Lippen, sahen gescheit drein oder naiv, drückten sich berlinerisch aus, schlesisch oder hochdeutsch, waren besonders höflich, gut rasiert, mit strahlender Wäsche und

Weitere Kostenlose Bücher