Das Beil von Wandsbek
umlegen würde, Schwamm drüber, Tante Käte. Mancher will seinen Kameraden treu bleiben, der Tradition, Kampf und Aufstieg, als von den Schnöseln in der schwarzen Kluft noch keiner seine Nase in Wind und Wetter steckte. Und an dem Konto der SS. in den KZ.-Lagern und anderswo will ich keinen Teil haben. Aber das nebenbei. Gesagt habe ich ihm, ich bereite mich darauf vor, Auslandsdienst zu nehmen. Ein Bekannter unserer Familie sei Vizekonsul irgendwo in Brasilien, in Sao Paulo, wenn ich nicht irre, und habe ein Auge auf mich geworfen. Der Ausbau des Wehrwesens drüben sei jetzt so weit, Tiefbauzeichner erhielten Staatsanstellungen, und kurz und gut, es hapere nur noch am Portugiesischen; dann ade du mein lieb Heimatland, und ich haute ab.« Käte Neumeier nickte und atmete entspannt. »Geschickt, Junge. Falls man meine Post überwacht: Marken aus Brasilien sind immer dabei.« – »Genau die mußt du mir geben«, lachte Bert, »Kamerad Preester entpuppte sich als Sammler, besonders von Ganzsachen. Hoffentlich hast du noch ein paar Umschläge mit Marken aufgehoben.« – »Ganz nach Wunsch«, rief Käte vergnügt, »meine kleinen Sammler kommen diesmal zu kurz.« Sie bückte sich zu einer der Schubladen ihres Schreibtisches, nahm ordentlich gebündelt einen Stoß Briefe heraus und wählte unter den Umschlägen. »Aber sie sind nicht an dich adressiert, mein Junge; wird das nicht schaden?«– »Bewahre«, antwortete Bert behaglich. »Um Mutti zu schonen, leite ich den Kram über dich. Nur solltest du mir den Gefallen tun und den Herrn K. A. Lintze meinetwegen ins Bild setzen. Einmal muß er mir ja direkt schreiben. Und wenn’s mir hier zu unbehaglich wird, möchte ich für ein Halbjahr wirklich verschwinden, hinüber. Mal lesen, was draußen auf deutsch über uns gedruckt wird. Würde mir ja wohl recht gut tun, gewissen Gesichtern nicht mehr zu begegnen, einem widerwärtigen und einem reizenden.« Käte Neumeier blickte ihn voll Mitgefühl an. Seine breite, kurze Nase, die waagerechten Brauen über den hellen Augen, die gar nicht hohe, aber kräftig vorgewölbte Stirn, die fest zusammengebissenen Kinnladen. »Lieber Junge«, sagte sie, »manch einer versteht manches nicht, und doch löst sich’s des öfteren in Wohlgefallen auf. Eine Abwesenheit tut Wunder, und was die Frauen unserer Zeit anlangt ...« – »Frauen«, rief Bert empört, als wischte er alle außer der einen vom Erdboden. »Hol sie der Teufel, die Person. Erst meine Freunde um sich zu haben, den Wieck und Manfred Koldewey, und dann auf einen solchen Footh zu stoßen ...! Käte!« Er ließ seine Faust auf den Tisch fallen, der auf Füßen von Stahlrohren eine schwarze Glasplatte trug und fast zerbrach. »Verzeih!« sagte er erschrocken. »Nichts geschehen«, begütigte sie. »Solche Substanz hält mehr aus als man denkt. Es wird sich noch vieles aufklären, bevor deine Haare so grau sind wie meine. Wenn du aber klug bist, bringst du Herrn Preester diese Umschläge heute noch in sein Lokal.«
»Was meine Absicht war – « – »Und nimmst einen Zettel von mir für meine Waschfrau mit, Wagnerstraße 17. Sie hat eine Schachtel im Hausflur hängen, einen Briefkasten aus Pappe.« Und indem sie von K.A. Lintze eine unbenutzte Seite abtrennte, ein leeres Blatt aus dünnem, festem Überseepapier, ließ sie ihren Füllhalter darüberlaufen.
»Lieber Tom, ich habe es mir überlegt, wir dürfen unsere hygienischen Bedenken gegen die Benutzung von Beilen zu verschiedenen Zwecken nicht zurückstellen. Natürlich mit der nötigen Vorsicht. Ihre brave Mutter dürfen Sie auf jeden Fall einweihen. Vielleicht kann man die Ehefrau schonen. Bestens Ihre Dr. K. N.« Sie faltete das Blatt zu einem Briefchen, schloß esmit Markenpapier, schrieb eine Adresse und übergab es dem jungen Mann. In seiner knappen braunen Uniform stand er da, steckte es zwischen seine Knöpfe, brachte die Briefumschläge in seiner Hosentasche unter und verabschiedete sich. Einen Augenblick lang schwankte sie, ob sie ihn nicht einweihen sollte in das, was sich durch ihn hier in Bewegung setzte. Aber dann dachte sie: Lieber nicht. Ans Fenster tretend, um den Pfeifenrauch hinauszulassen, stellte sie fest, es hatte aufgehört zu schneien, aber die Straßenlaternen spiegelten sich in einer dünnen Schicht hellbraunen Kots.
Als das Ehepaar Teetjen daheim ankam, schien der Mond bereits wieder durch die fetzig weißen Wolken. Draußen wehte die Luft schon ausgesprochen winterlich, in der Wohnung
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