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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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hinterm Laden aber war man froh, die Überkleider abzulegen, ein paar Bissen Schmalzbrot und Knoblauchwurst zu futtern, sich zu waschen und zu Bett zu gehen – ins Doppelbett, das vom Nachmittag her noch zerwühlt und auseinandergeworfen auf das Ehepaar zu warten schien. »Deern«, seufzte Albert, indem er seine Zehen an die untere Bettwand preßte und das Palisanderholz krachen ließ, »Deern, das war’n Tag!« Stine saß, ihm den Rücken zukehrend, auf der unteren Bettkante und flocht ihre Zöpfe; Nacken und Arme über dem altmodischen Hemd drückten ihr schüchtern fröhliches Wesen aus, weiß und schlank, und hätten unter anderen Umständen die Wirkung auf Albert nicht verfehlt. Er aber lag da, blickte zur Decke, unter welcher eine Ampel aus künstlich marmoriertem Glase hing, und schloß dann wieder seine Lider. Sofort sah er auf ihnen gespiegelt das Vortragspult, den Dr. – wie hieß er doch, Lang- nein, Laberdan. Nachdem der mit einem Schlußwort die Sitzung auf ein nächstes Mal vertagt hatte, der Luftschutzübung wegen, sah er sich, den bürgerlich gekleideten Scharführer Albert Teetjen, auf den Doktor zutreten, ihm den Heilgruß bieten, sich zum Ausprobieren meldend, ob er rutengängerische Fähigkeiten habe. Eine Menge beifällig zustimmender Leute hatte Albert um sich gespürt, manche nickten, der Vereinsvorsitzende trat auf ihn zu, reichte ihm die Hand, ihm lange starr in die Augen blickend. »Dieser Parteigenosse dürfte, wenn mich nicht alles täuscht, sogar sehr große siderische Fähigkeitenhaben, ich spüre einen Strom in meinem Unterarm«, hatte er zu dem Doktor bemerkt, und seine rötlichen Lider hinter der goldenen Brille mehrmals geschlossen, als horche er einer inneren Stimme zu oder fühle in seiner eigenen Brust nach, was mit dem Albert Teetjen da wohl los sei. Mit diesem ehemaligen Magnetiseur und Masseur hatte man im elektrischen Institut der Universität noch in den zweiflerischen Jahren der Weimarer Republik einige Experimente gemacht: den Strom gemessen, der in seinem Körper kreiste und der imstande war, seinerseits Ströme in Metallspulen hervorzurufen, wenn er seinen nackten Arm hindurchsteckte, ohne sie zu berühren. Das hatte der Doktor Albert noch anvertraut, um ihm Mut zu machen, damit er die Verabredung ja einhalte, die sie miteinander getroffen: nächsten Sonntagmorgen im Krankenhaus Fuhlsbüttel. »Mit Fuhlsbüttel scheine ich es ja zu haben«, sagte Albert halblaut in die Luft. Er empfand das Bedürfnis, noch zu äußern, was in ihm rumorte. Da Stine ja schon reichlich geschlafen hatte, ihren Tribut als reizvolle Frau aber schon am Nachmittag geerntet, hätte man erwarten können ... Aber siehe da, sie schlief schon wieder. Hinlegen, Licht ausknipsen, Wegsein, das kannte er an ihr. Er durfte sie oft genug darum beneiden in den Monaten, in denen sie wirtschaftlich zu versacken schienen. Was nutzte es ihm damals, wachzuliegen, Pläne zu wälzen, auszuknobeln, wie man morgen früh dies oder jenes Rettungsmittel anwenden und todsicher Erfolg damit haben werde? Der Morgen war gekommen, der Tag vergangen, die Erlösung ausgeblieben. Stine aber, die immer geschlafen, hatte ihrerseits darauf bestanden, daß er endlich an den Footh schreibe. Sie hatte den Brief diktiert, sie den Erfolg zumindestens eingeleitet. Den Seinen gab’s der Herr im Schlaf. Nun, um so besser, wenn die Stine zu ihrem Herrn hält, dem Jesus von Nazareth, wie ihn Sturmführer Preester bestenfalls nannte, wenn er nicht der Judenjunge von Bethlehem hieß, den zu unserem Unglück die SS. des Herodes damals übersah. Er, Albert, hielt es mit Adolf Hitler und den neuen Göttern. Sie, Stine, mit den alten von der Bibel und dem Katechismus und den Chorälen und Kantaten aus der Pfarrkirche. So waren sie mit beiden Gewalten gut Freund oder konnten es wenigstens sein, und so würde ihnen schon nichts passieren.Zwar die Löwen und Eisbären in Stellingen hinterließen ihm, Albert, einen unangenehmen Eindruck, weil sie so eingesperrt waren und ihm innerlich so verwandt. Kannten auch keinen Abscheu vor Blut, die Brüder, wären gute Schlächtermeister geworden, mit starken Nerven, Muskeln und Sehnen und sehr zuverlässig bei ihren Stines. Wie frech die kleine Äffin heute morgen ihr Männchen zupfte, dort, wo es nicht anständig war, für eine Frau, hinzufassen. Stine war ganz rot geworden, mußte aber doch hinschauen – gehört sich ja wohl so im Dritten Reich, wo die christliche Prüderie abgewirtschaftet hatte und

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