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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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großen Römers und Cäsaren Mussolini in der Hauptstadt seines neuen Freundes und Bundesgenossen – das waren Schritte, Freundchen, wie? Siebenmeilenstiefel, unser Tempo. Noch konnte man in dieser oder jener abseitigen Straße des Westens Kränze oder Fähnchen sehen, die den neuen Augustus gegrüßt hatten, den Duce, der in Berlin deutsch gesprochen hatte vor den Ohren der Millionen. Hatte sich dergleichen unter Wilhelm dem Zweiten je ereignet? Von dem Dackel Ebert und dem alten Hindenburg ganz zu schweigen! Und dennoch regte sich noch immer Opposition in gewissen verwöhnten Stabsquartieren. Nun, wer nicht umlernen wollte, konnte seiner Wege gehen. Deutschland war noch nie arm gewesen an Militärs, die ihre Sache aus dem FF verstanden, ohne sich deshalb als Vizegötter anzumelden. Und die Rheinlandbesetzung hatte bewiesen, daß der ehemalige Gefreite des Weltkrieges eben doch den Herren von und zu immer um einige Nasenlängen voraus war, sah, dachte. »Frisch weht der Wind der Heimat zu«, hieß es, wenn sich in der Tristanvorstellung der Vorhang hob. Adolf Hitlers Wiege aber hatte in Österreich gestanden, und man dürfte nur darüber streiten, ob näher an Wien oder an Prag ... Der steirische Erzberg, dessen Tagesabbau von keinem Erzlager der Welt übertroffen wurde, dürfte einen neuen Herrn unbedingt anerkennen, und die Verschiffung seines kostbaren Rohstoffes oder der daraus hergestellten»deutschen Wertarbeit« (worunter man vollwertige Verbrauchsgüter zu verstehen hatte) müßte auf den noch immer nicht hergestellten Rhein-Main-Donau-Kanal wirken wie ein Warenaufzug innerhalb eines großen Kaufmannshauses, dessen »Stahlhof« der neuen deutschen Hansa ... Immer die innere Linie halten, als Voraussetzung für jede Frontausdehnung, lehrte die Strategie.
    Herr Footh merkte zunächst nicht, daß sich seine Angelegenheit nicht von der Stelle bewegte, so angenehm und erfrischt fühlte er sich von der vielfachen Berührung mit den Geschäftszentralen. Alles was in Deutschland große Namen besaß in Industrie, Handel, Verkehrswesen und Geldmarkt, fand man in dieser Stadt vertreten – außerdem aber die wichtigsten politischen Dienststellen, Verwaltungen, Knotenpunkte. Dutzende guter Bekannter wiederzusehen, Hände zu schütteln, Zigarrenmarken zu kosten, war gewiß etwas wert. Man fühlte sich wie massiert, man turnte wie ein Gymnastikschüler an immer neuen Geräten. Aber die Freundlichkeit all der Männer verhinderte nicht, daß Herr Footh das Gefühl hatte, überall zu spät zu kommen. Mußte er sich schon in Hamburg als Stern vierter oder fünfter Größe bescheiden, hier in Berlin kam man sich noch viel kleiner vor. Sicherlich hätte seine Freundin Annette irgendein Zitat von Schiller oder Goethe gewußt, das zu beschönigen oder mit Goldbronze zu überstreichen; an der Sache änderte dergleichen Firlefanz nichts. Hier zählten vor allem die dicken Namen der rheinischen, süddeutschen, sächsischen Konzerne; in seinem Gewerbe die mit ihnen versippten großen Schiffahrtslinien aus Lübeck, Bremen und seinem lieben Hamburg und die Bankhäuser, in deren Aufsichtsräten die neuen Fürstengeschlechter der Partei neben den alten, wilhelminischen saßen, Schulter an Schulter, wie es früher im Heeresbericht geheißen, Portemonnaie an Portemonnaie, wie die Satiriker in den Kampfjahren der Partei, die »alten Kämpfer«, es in ihren Witzblättern karikiert hatten. Wer Herr von Strauß war, Otto Wolff, König Thyssen, Kaiser Kirdorf, das wußte hier jeder, der mitzählte. Er kannte auch Hapag, Woermannlinie, Deutsche Levante. H. P. Footh aber und seine Tankerflotte, die er mit so gutem Einfall die Augenschiffe genannt und ebenso beflaggt, wer kannte die und den? Vor ein paar Monaten waren baskischeBoote aus der spanischen Beute verhandelt worden, stillschweigend, ohne daß man die kleinen Reeder daran beteiligt hätte. Wetten, daß die Thetisschiffe, die Judenschiffe, den gleichen Weg gehen werden. Schwer war der Weg nach Rom, schwerer der nach Peking, aber am schwersten der ins Marineministerium, so nämlich, daß etwas dabei herauskam, klagte Herr Footh seiner reizenden Anneliese, die ihn in fliederfarbenem Pyjama durch die Tür des anstoßenden Zimmers besuchte, wann immer er des Nachts heimkam.
    Anneliese war glücklich und leugnete es keinen Augenblick. »Hans«, sagte sie, »Hans ...« und der Ausdruck ihrer Stimme, ihrer Augen in der sympathischen Nachtbeleuchtung gab Hans Footh eine Süße ins Herz, die er

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