Das Bernsteinzimmer
Nordischen Krieg hineinzuziehen. Hilfe von mir gegen Karl XII. von Schweden will er. Da kann es ihm gleich sein, ob er eine Kohlsuppe oder einen Fasan ißt, ob er in einem Holzbett schläft oder auf weichem Damast. Wer etwas von mir will, muß sich nach meiner Fasson richten!«
»Preußen wird sich blamieren! Morgen blickt die Welt auf uns.«
»Mit dieser Armee –« der König streckte den Arm zum Fenster hinaus »– ist es mir einen Scheißhaufen wert, was andere Souveräns über mich denken! Sie sollen sich um ihr Mätressenpack kümmern und nicht um mich. Sie werden einmal Preußen bestaunen und fürchten. Eine große Tafel für den Zaren! Ich muß sparen! Weißt du noch, wie das bei unserer Hochzeit war? Mein Vater wollte der Welt zeigen, was für ein Kerl er ist, wieviel Geld er hat, daß er nicht neidisch zu sein hat vor dem Hof in Versailles.« Er wanderte in dem kargen Zimmer umher, mit stampfenden Schritten, die Hände auf den Rücken gelegt. »Am 14. November 1706 haben wird geheiratet, Fiekchen. Bis Weihnachten ließ mein Vater die Taler springen und die Seidenröcke tanzen, fressen und saufen. Ballette führte er auf, Opern, Konzerte, Komödien, Maskenspiele, Festbeleuchtungen und Feuerwerke. Und – ich hab's nicht vergessen und mir die Zahlen gemerkt – an unsere Küche mußten die Bauern aus allen Provinzen als ›Geschenk‹ abliefern: 7.600 Hühner, 1.102 Puten, 1.000 Enten, 650 Gänse und 640 Kälber. Und alles wurde kahlgefressen! Aber nicht bei mir, Fiekchen! Ich verfresse nicht den Staat … ich bin der erste Diener des Staates. Auch wenn der Zar von Rußland kommt, die ewige Seligkeit ist vor Gott – alles andere muß vor mir sein!«
Sophie Dorothea, obwohl völlig anderer Ansicht, vermied es, gerade heute den König noch mehr zu reizen. Was er gerade gesagt hatte, war sein Wahlspruch Nummer eins. Der zweite lautete: Menschen achte für den größten Reichtum, und der dritte enthielt alles, was das Ziel seines Lebens war: Ich stabilisiere die Souveränität und setze die Krone fest wie einen ehernen Fels. Es war klar, daß man deshalb mit ihm kaum diskutieren konnte und schon gar nicht anderer Meinung zu sein hatte, denn auch hier hatte Friedrich Wilhelm deutlich gesagt, daß nur sein Wort galt. In seiner berühmten Antrittsrede als König schleuderte er den Ministern ins Gesicht:
»Sollte jemand unter Ihnen sein, der neue Kabalen anfängt, so werde ich ihn auf eine Weise züchtigen, die ihn verwundern wird. Man möge sich merken, daß ich weder Rat brauche noch Räsonnement, sondern Gehorsam!«
»Noch nicht einmal ein Plan der Veranstaltungen liegt vor«, sagte Sophie vorsichtig. »Die Minister sind verzweifelt, die Generäle haben keine Order von Ihnen, ein Verwaltungsrat soll bereits geweint haben, weil er nachher wieder der Schuldige sein wird …«
»Was er herausweint, braucht er nicht auszupinkeln …«
Sophie Dorothea saß steif und aufgerichtet in ihrem Sessel. Was für Manieren! »Sie müssen doch dem Zaren etwas zeigen! Ein Programm muß gemacht werden …«
»Er wird genug sehen, der Petersburger Bär. Mir wird einiges einfallen.«
»Ja. Exerzierübungen, Paraden Ihrer Grenadiere und Füsiliere, der Kavallerie und Artillerie, Ihre Garde wird stampfen wie eine Herde Stiere …«
»Fiekchen, laß mir meine Langen Kerls in Ruhe.« Der König blieb vor ihr stehen und reckte sich. Auf seine Gardegrenadiere ließ er nichts kommen. Jegliche Kritik wischte er mit einer Handbewegung weg oder brüllte sie so nieder, daß niemand mehr wagte, ein Wort darüber zu verlieren.
Nur einmal, bei einer fröhlichen Runde in seinem berüchtigten Tabakskollegium in Potsdam, einem achteckigen Pavillon mit einer hohen Turmspitze, den er auf einer Insel im Faulen See bauen ließ, nicht zuletzt wegen des ihn erheiternden Namens, in dieser absoluten Männergesellschaft von Freunden und Generälen, zu der jedem Frauenzimmer der Eintritt verboten war, sagte er, indem er seinen ›Heeresfinanzminister‹ Generalleutnant von Grumbkow anstarrte:
»Meine Langen Kerls verpflege ich von meinem Menu Plaisir , weil ich doch in der Welt in nichts Plaisir finde als in einer guten Armee!«
Menu Plaisir … das war sein Ausdruck für Taschengeld.
»Der Zar wird genug zu sehen bekommen, außerdem ist er in Eile und nur auf der Durchreise nach Frankreich und Holland. Gib ihm was zu Kauen und zu Saufen, führ ihm unsere Kinder vor, entschuldige dich, daß hier nicht wie in Versailles eine Kompanie
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