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Das Bernsteinzimmer

Das Bernsteinzimmer

Titel: Das Bernsteinzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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parfümierter dummer Kühe als Mätressen herumlaufen … für alles andere werde ich sorgen.«
    Es klopfte kurz, dann wurde die Tür aufgestoßen, und Prinzessin Wilhelmine kam ins Kabinett. An der Hand zog sie den vierjährigen Kronprinzen Friedrich mit ins Zimmer, er wehrte sich zaghaft, stemmte die Beinchen gegen das Parkett und versuchte, sich durch Rucken dem Griff seiner älteren Schwester zu entziehen. Es gelang ihm nicht. Wilhelmine, sieben Jahre alt, war stärker. Er war ein schmalgliedriger, hübscher Junge mit hellen wachen Augen und einem erstaunlich weichen Mund, von dem sein Vater sagte: »Kommt er im Kollegium an die Pfeife, werden wir einen Mann aus ihm machen! Der Kronprinz von Preußen muß ein Kämpfer sein!«
    »Welch ein unwürdiges Schauspiel!« sagte Friedrich Wilhelm laut. »Der Kronprinz läßt sich von einem Frauenzimmer herumzerren! Warum wehren Sie sich nicht?!«
    »Sie ist meine Schwester, Papa.«
    »Wer bin ich?« schrie der König mit dröhnender Stimme.
    »Pardon … mein Vater.« Der Kleine hatte sich jetzt aus dem Griff Wilhelmines befreit und eilte zu seiner im Sessel sitzenden Mutter.
    »Er hat Angst!« rief die Prinzessin.
    »Halt's Maul!« brüllte der König. »Ein Kronprinz hat keine Angst zu haben.«
    »Er fürchtet sich vor dem Zaren, Vater.«
    »Fritz –«
    »Vater?« Der Kleine, eng an seine Mutter gedrückt, nahm seinen kleinen Mut zusammen und sah seinem Vater voll in das strenge Gesicht.
    »Du hast Gott zu fürchten … sonst keinen. Ein Zar ist kein Gott, auch wenn die Russen oft so tun, als sei er einer!«
    »Man erzählt sich böse Dinge über ihn, Vater. Dinge, die Fritz ängstlich machen«, sagte die kleine Prinzessin furchtlos. »Ist das alles wahr?«
    »Was soll wahr sein?«
    »Der Zar soll mit den Fingern essen … mit den Saucen spritzt er um sich … wischt sich den Mund mit dem Handrücken ab. Wenn er Hühner oder Fasanen ißt, wirft er die abgenagten Knochen über den Tisch, und wen er trifft, der muß aufstehen, sich tief verneigen und sagen: Erhabener Zar, ich danke für den Orden. Er soll geeiste Sahne den Damen in den Busen gegossen haben, und der Fürstin Trubetzkoj schob er mit eigener Hand Früchte in Gelee in den Mund und drückte mit den Fingern nach, damit es rascher ging. Sie wäre bald erstickt …«
    Sophie Dorothea schlug die Hände zusammen. Der König winkte mit dem Zeigefinger, gehorsam kam die kleine Wilhelmine näher. »Wer erzählt solche Sachen?«
    »Ich weiß es nicht, Vater. Ein paar Männer standen zusammen, und ich hörte, was sie sagten.«
    »Du hast gelauscht?«
    »Ja, Vater.«
    Mit schnellem Griff faßte Friedrich Wilhelm nach seinem immer in der Nähe liegenden Buchenstock, schwang ihn durch die Luft.
    »Mein Kind schleicht herum und belauscht fremde Männer. Eine Prinzessin von Preußen! Und sie glaubt auch noch, was sie hört! Hast du den Stock verdient?«
    »Ja, Vater.«
    »Und wenn der Zar morgen nackt an unserem Tisch sitzt … wir sehen so etwas nicht. Er ist ein Souverän und kann machen, was er will.«
    Sophie Dorothea hatte den Kronprinzen umfaßt und zog mit der anderen Hand die Prinzessin zu sich.
    Der König legte den Stock zurück auf den Tisch. »Der Zar ist ein guter Soldat … da darf er auch am Tisch rülpsen!«
    Am Vormittag des nächsten Tages traf die Reisekolonne von Peter I. in Berlin ein.
    Er reiste, wie oft, nur mit kleinem Gefolge … vorweg zehn Reiter in der grünen Uniform des Regimentes Preobraschenskij, dann, in einer einfachen, aber stabilen Kalesche, der Zar mit seiner Begleitung, dahinter ein paar Wagen mit Lakaien, Pagen, seinem Lieblingsmohr Abraham Petrowitsch Hannibal und dem Zwerg Lewon Uskow. Den Schluß bildete eine verhängte Kutsche, in der zusammen mit zwei Zofen die gegenwärtige Mätresse des Zaren saß, die schöne Natalja Jemilianowna Gasenkowa, eine glutäugige Armenierin, deren Mann von Peter I. zum Verwalter des Munitionsdepots der Peter-und-Pauls-Festung ernannt worden war. Eine kleine Kolonne also für einen Zaren, für einen der mächtigsten Männer der Welt.
    Friedrich Wilhelm trat vor die Tür, als sein Gast vor dem Schloß vorfuhr, so wie es sich für einen Hausvater gehörte. Er hielt nicht viel von einem prunkvollen Empfang mit angetretener Ehrengarde, Trompeten- und Fanfarengeschmetter, wehenden Fahnen, sich verneigenden Ministern und kichernden Ehrenjungfrauen, einem Spalier von Lakaien und Höflingen. Allein, hinter sich nur seinen Freund, den Freiherrn von Pöllnitz,

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