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Das Bernsteinzimmer

Das Bernsteinzimmer

Titel: Das Bernsteinzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gehorchen.«
    »Das ist es, Leutnant. Da sagt Er ein wahres Wort. Ich frage mich oft: Wo führt das hin, ein einziger denkt, und ein ganzes Volk muß denken wie er.«
    Der Oberst winkte ab, als er die betretenen Gesichter der Offiziere sah. »Wir werden sehen, was daraus wird. Gott ist so gnädig, uns nicht in die Zukunft blicken zu lassen.«
    In ihrem Quartier, meistens einem Zimmer in der Kaserne, das für eine Nacht der Futtermeister räumen mußte, legte sich Adele Wachter sofort auf das Bett, erschöpft, müde, blaß und mit schwerem Atem. Von Station zu Station wurde es ärger, manchmal lag sie da, preßte die Hände auf den gewölbten Leib und sagte, mit geschlossenen Augen, lange kein Wort. Wachter saß dann neben ihr, streichelte ihr Gesicht, legte auch seine Hände auf ihren Leib und konnte nichts für sie tun, als Trost zu geben.
    »Bald ist es vorbei, Delchen«, sagte er zärtlich zu ihr. »In Kolberg, auf dem Schiff, kannst du dich ausruhen. Diese holprigen Wege, das Rütteln und Schütteln und die Stöße … ich weiß, wie es dir zusetzt. Beiß die Zähne zusammen, Delchen.«
    »Das Kind tritt in mir, als wolle es den Leib sprengen. So war es nie bei Julius.« Sie umschlang seinen Nacken und zog seinen Kopf hinunter auf ihren Bauch. »Hörst du es, Fritz? Es wehrt sich … es will nicht in mir sterben …«
    »Es wird nicht sterben, Delchen. Bestimmt wird es nicht sterben. Es wird in Petersburg zur Welt kommen … nur daran sollst du denken.«
    Etwa auf der Mitte der Strecke nach Kolberg änderte Wachter seinen Zeitplan. Er legte öfter eine Ruhestunde ein, ließ Adele sich auf einem Strohsack in einem der Kistenwagen ausstrecken, und Julius, nun bald elf Jahre alt, lief über die Felder, suchte in Wiesen und an Bachrändern und brachte frische Kräuter mit, die Wachter, in Wasser getaucht, Adele auf den Leib legte. Das beruhigte und erfrischte sie, kühlte die ziehenden Schmerzen und gab ihr neue Kraft.
    Dann endlich, endlich hatten sie Kolberg erreicht, die kleine, schmucke, saubere Küstenstadt an der Ostsee, machten zum letztenmal Station in einer Kaserne, und Leutnant von Stapenhorst schickte einen Kurier los nach Berlin, die glückliche Ankunft in Kolberg zu melden.
    Zusammen mit Adele und Julius fuhr Wachter schon am nächsten Tag zum Hafen, um das Schiff nach Memel zu besichtigen.
    Es war kein großes Schiff, eher eine kleine Korvette mit nur einem Mast, ohne Geschütze, dafür mit Laderäumen in dem breitbauchigen Rumpf und einem Aufbau, in dem die Kajüten für Kapitän, Fahrgäste und die Mannschaft lagen. Die preußische Fahne flatterte am Bug.
    Über einen Steg gingen Wachter, Adele und Julius an Bord, während Moritz angebunden in der Kutsche bleiben mußte und jämmerlich heulte und wütend, mit hochgezogenen Lefzen, die ein spitzes, starkes Gebiß bloßlegten, bellte.
    Als sie an Deck standen, spürten sie trotz der Windstille das Schwanken des Schiffes.
    Zum erstenmal hatten sie einen Boden unter den Füßen, der sich bewegte, ein unangenehmes Gefühl, das Unsicherheit in ihnen hochkommen ließ. Wachter begriff, warum Seeleute an Land, auf festem Boden, breitbeinig und schaukelnd dahergingen, wie auch der Zar es tat, der verliebt war in Schiffe, Meer und Wellenschlag.
    Der Kapitän der Wilhelmine II. – so hieß das Schiff – kam ihnen mit wiegendem Schritt entgegen, warf einen Blick auf Adeles hohen Leib und reichte dann Wachter die Hand.
    »Ihr kommt von dem königlichen Transport?« fragte er.
    »Ich bin der Leiter, Kapitän.«
    »Willkommen an Bord.« Er drückte Wachters Hand. »Wann laden wir?«
    »Schon morgen. Achtzehn große Kisten und Reisegepäck. Zeigt mir, wohin sie gestellt werden … sie dürfen nicht im geringsten beschädigt werden. Ich habe dem König darüber Meldung zu machen. Hütet Euch davor, nach Berlin zum Rapport befohlen zu werden. Der Stock des Königs tanzt gern auf anderen Rücken, und die Gefängnisse sind dunkel, feucht und voll Ungeziefer.«
    »Es wird alles so sein, wie Ihr befehlt. Mit dicken Tauen werden wir die Kisten vertäuen.« Der Kapitän machte eine weite Handbewegung. »Aber dem Meer können wir nichts befehlen. Im April kann es stürmisch werden … da müssen wir uns dem Stärkeren beugen.«
    Sie gingen in die Kapitänsräume , tranken heißen Tee und Rum und knabberten an Zwieback und trockenen Wecken. Der Kapitän erzählte von wilden Stürmen und Begegnungen mit Geisterschiffen, wobei Adele ganz übel wurde, während Julius dagegen

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