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Das Bernsteinzimmer

Das Bernsteinzimmer

Titel: Das Bernsteinzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Osten, nach Rußland, in das riesige Unbekannte.
    In die neue Heimat.
    Gott steh uns bei!
    Am 2. Mai schrieb General Charles de Brion seinen Bericht an den König von Preußen. Er lautete:
    »Euer Königlichen Majestät habe hiermit alleruntertänigst berichten sollen, daß das Bernstein- Cabinet vorgestern in gutem Stande, so viel als ich bemerken und von dabei gestellten Leuten die Nachricht einziehen können, hier angelanget, und bald darauf weiter bis an die Grenze geschicket worden, und sein aus diesem Amte drei Relais, auf jede Relais 108 Vorspann Pferde zu deren Fortbringung gegeben …«
    Das hieß, daß wieder mit achtzehn schweren Wagen, beladen mit je einer Kiste und von sechs Pferden gezogen, das Bernsteinzimmer auf den Weg nach Rußland gebracht worden war.
    Drei Stationen waren es bis zur russischen Grenze, über Straßen, deren Löcher und Querwellen die Fuhrwerke schütteln und springen ließ und Hunderte von Stößen in den Rücken schickten. Adele litt fürchterlich, aber tapfer, nur nach der zweiten Station sagte sie schwach zu Wachter: »Das Kind wird es nicht ertragen, Fritz. Tot wird es zur Welt kommen. Ich fühle es. Zu früh und tot wird es kommen …«
    Die dritte Station, die Grenze, war ein befestigter Posten mit viel Grenadieren und einem Oberst als Kommandeur. Ohne Aufenthalt in der Kaserne ließ Wachter die Kolonne weiter zur Grenze fahren. Ein Trompetensignal kündigte sie an, und als sie am Schlagbaum standen, wartete ihnen gegenüber die russische Delegation. Zweihundert Kosaken unter dem Hetmann Grigorij Semjonowitsch, neun Kutschen für den Reisemarschall Fürst Semjon Borisowitsch Netjajew, den Wachter schon vom Besuch des Zaren in Berlin her kannte.
    Und wieder erfolgte die Mühe des Umladens auf russische Fuhrwerke. Neben hochrädrigen Karren waren es auch Schlitten, nicht nur, weil in diesem strengen Winter noch Schnee auf der Strecke bis Petersburg lag, sondern weil man auch bei Tauwetter mit Schlitten besser durch den Schlamm und Morast gleiten konnte als mit Rädern, die sich in die aufgeweichten Straßen mahlten. Dann gab es kein Vorwärtskommen mehr.
    Fürst Netjajew begrüßte Wachter und Adele wie preußische Gesandte. Er sprach deutsch mit etwas schwerer Zunge, aber man konnte ihn gut verstehen.
    »Im Namen Seiner Majestät des Zaren seid Ihr willkommen in Rußland«, sagte der Fürst. »Ist das Kabinett unversehrt?«
    »Ich hoffe es. Beim Öffnen der Kisten wird's sich zeigen.«
    »Von jetzt ab wird ihnen nichts mehr geschehen. Ich übernehme die Verantwortung.«
    »Ich habe die Order von meinem König, das Bernsteinzimmer heil bis Petersburg zu bringen unter meinem Kommando, Fürst Netjajew.«
    Wachter zeigte ihm das Blatt mit der Unterschrift Friedrich Wilhelms, aber Netjajew wischte es mit einer Handbewegung zur Seite.
    »Euer König kann Euch befehlen … aber jetzt seid Ihr in Rußland. Hier gilt allein das Wort des Zaren. Steckt das Papier ein, Ihr braucht es nicht mehr. Der Befehl des Zaren ist für Euch maßgebend, nicht mehr das Schreiben Eures Königs. Gewöhnt Euch daran, bevor Euch die Knute belehren muß.«
    Wortlos ging Wachter zu dem großen, durch einen Holzaufbau verschlossenen Schlitten zurück, in dem Adele auf einem Fellberg lag und Julius mit einem nassen Tuch die Stirn seiner Mutter kühlte. Moritz hatte sich bei den Russen schon Respekt verschafft … jeder, der in den Schlitten blickte, wurde angeknurrt, und zog er sich nicht sofort zurück, schnellte er vor mit weit aufgerissenem Maul und blinkenden Zähnen. Das genügte … die Neugierigen flüchteten.
    »Was ist, Fritz?« fragte sie mit leiser Stimme. »Du siehst nicht aus wie ein glücklicher Mensch.«
    »Ich bin ein Nichts … das hat man mir eben vorgeführt. Ich habe nichts mehr zu tun als neben dir im Schlitten zu sitzen. Fürst Netjajew übernimmt den Transport. Ich werde behandelt wie ein Kulak.«
    »Noch können wir zurück, Fritz. Nur ein paar Meter rückwärts, und wir sind wieder in Preußen.« Sie umklammerte plötzlich seine Hand und zog sie an ihre Lippen. »Fritz, laß uns umkehren. Es ist die letzte Möglichkeit.«
    »Und das Bernsteinzimmer?«
    »Es ist in Rußland! Du bist frei …«
    »Nicht von meinem Eid vor dem König. Ein Eid für alle Nachkommen …«
    »Willst du dein Leben opfern für das Bernsteinzimmer?«
    »Ja.«
    »Und mein Leben? Und das Leben deiner Kinder?«
    »Wir alle gehören zum Bernsteinzimmer, heute, morgen, solange die Welt besteht, hat der König

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