Das Bernsteinzimmer
sagte, sie seien geeignet für das Geschenk des Königs von Preußen. Im ersten Stockwerk lagen sie, mit zwei großen Fenstern hinaus zur Newa. Das Licht fiel voll herein, so daß der Bernstein in der Sonne leuchten konnte und seine ganze Schönheit entfalten würde, und leicht ließen sich die Wände herausnehmen und die Decken auf das nötige Maß erhöhen, da auch hier eine Zwischendecke eingezogen war.
»Das ist es!« sagte Wachter und drehte sich ein paarmal um sich selbst, alles genau betrachtend. »Hier kommt es hin.«
»Gleich neben den Gemächern der Zarin?« Kubassow wiegte den Kopf. »Der Lärm des Umbaues –«
»Nur ein paar Wochen sind's … der Schönheit willen wird's die Zarin dulden.«
Schon einen Tag später begannen die Arbeiten. Kubassow hatte mit Katharina, der Zarin, gesprochen. Sie war in den ausgewählten Räumen erschienen, hatte den sich tief verneigenden Wachter lange und eingehend gemustert und ihn dann in ihren Haushalt aufgenommen.
Eine dralle, vollbusige Frau war sie, mit sinnlichen Lippen und einer fröhlichen Stupsnase. Breite rote Wangen bestimmten ihr Gesicht, und sie hatte einen kräftigen Körper, was ihr bei den vielen Geburten zugute kam.
Bei der Belagerung von Marienburg, das in schwedischer Hand war, hatte General Scheremetjew sie zum erstenmal gesehen … die Magd eines geflohenen sächsischen Pastors mit Namen Glück, mit der er Weiterreisen wollte nach Moskau, und die nicht genau wußte, wie sie hieß, da sie nie ihren Vater kennengelernt hatte. »Wer ich bin?« hatte sie gesagt, als Scheremetjew sie nach ihrem Namen fragte. »Einmal heiße ich Katharina Wassilewska, einmal Katharina Trubatschow. Mir ist gleichgültig, wie ich wirklich heiße. Ist's wichtig bei der Arbeit? Ich putze, koche, backe, schenke aus und bediene, wasche und bügle, halte den Garten in Ordnung und versorge den Stall.«
»Und läßt dich jede Nacht mit den Kerlen ein …« hatte der General gerufen.
»Das nicht. Deshalb bin ich geflohen aus Marienburg. Die schwedischen Soldaten ziehen durch die Stadt und greifen nach jedem Mädchen.« Sie hatte den General flehend angesehen und dann hinzugefügt: »Laßt uns weiter nach Moskau, Herr. Ich will dort meinem Pastor den Haushalt führen.«
Nicht nach Moskau kam sie, sondern nach Petersburg. General Scheremetjew nahm sie mit, damit sie seine Hemden bügelte. So kam Katharina Wassilewska – für diesen Namen entschied sie sich –, die Tochter eines ihr unbekannten Leibeigenen und einer Wirtshausmagd aus Litauen, nach Petersburg in den Haushalt des Generals. Dort sah sie bei einem Besuch der mächtige Menschikow. Sie stand gerade auf der Leiter, putzte die Fenster, und Menschikow, der Frauenkenner, sah sofort ihre schöne Gestalt, ihre Füße und Waden, ihre Taille und die vollen weißen Brüste, und sie lachte ihn keck an, als er sie so aufmerksam musterte.
Scheremetjew, immer bedacht, ein Freund des großen Menschikow zu bleiben, schenkte ihm Katharina. Nun bügelte sie die Hemden des Fürsten, zerknitterte des Nachts seine Bettlaken, eine Kriegsbeute, wie Scheremetjew sie genannt hatte, wie sie nicht schöner, lieblicher und dreister sein konnte.
Bei Fürst Menschikow sah sie der Zar. Ohne viel Worte lieh er sich die Magd aus, und als Menschikow sie nach zwei Wochen von Peter zurückerbat, ließ der Zar mitteilen, daß Katharina noch so viele Hemden auszubessern und zu bügeln habe, daß er sie bei sich behalten wolle.
Nun war sie die mächtige Zarin, verheiratet mit Peter I. und der vielleicht einzige Mensch, der es wagte, anderer Meinung als er zu sein, die einen hellen Verstand besaß und zu vernünftigen Ratschlägen in der Lage war. Für ihren Mann strickte sie selbst wollene Strümpfe, verlangte nie etwas Ungewöhnliches von ihm, lebte bescheiden mit ihm in Holzhütten, kochte, trocknete Peters Seemannswäsche, fuhr mit ihm über das Meer bei Petersburg, war immer das einfache Mädchen geblieben, auch als sie die Zarin geworden war. Aber es gab auch die andere Katharina in seidenen, mit Perlen und Edelsteinen bestickten Roben, mit einem Hofstaat von Fürstinnen, Gräfinnen und besonders hübschen Hofdamen, der Glanz aller Feste war sie, und wenn im Palast des Menschikow die prunkvollen Empfänge und im Garten die herrlichen Feuerwerke, die Peter so liebte, stattfanden, dann neigte Fürst Menschikow das Haupt vor seiner ehemaligen Magd und erkannte sie als Zarin an.
Bei Wachter erschien Katharina in einem schlichten Kleid, so wie sie
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