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Das Bernsteinzimmer

Das Bernsteinzimmer

Titel: Das Bernsteinzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Holzwänden, ein Bild des segnenden Christus, und in der Küche war alles vorhanden, was eine Hausfrau brauchte, vom Wassertopf bis zum Schöpflöffel.
    »Welch eine Wohnung, Fritz«, rief sie glücklich.
    »Wo ist Julius?«
    »Im Garten spielt er mit Moritz.« Sie drehte sich einmal um sich selbst, wie eine Tänzerin, es wäre grazil gewesen ohne ihren schweren Leib. »Alles ist so groß, so weit, so hoch …«
    »Wie dieses Land, Delchen. Unendliche Erde unter einem hohen Himmel. Petersburg kann einmal schöner werden als Paris, wenn der Zar es weiterhin so ausbaut. Gärten sollen entstehen, große Parks, breite Straßen, und dann die Kathedralen, Delchen, Paläste zur Ehre Gottes, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat! Wir werden nie bereuen, Berlin verlassen zu haben.«
    »Laß uns darum beten, Fritz.« Sie setzte sich neben ihn auf den Diwan und legte den Arm um seinen Nacken. »Weißt du, wie sie mich schon rufen?« – »Ja. Adele Iwanowna …« Er lachte, als sie ihn verblüfft anblickte, küßte sie zwischen die Augen und rief fröhlich: »Ja, das bist du. Meine schöne, meine einzige Adeluschka … Wie das klingt! Adeluschka … Adelinka … Adjuschka!«
    »Ich sehe, du wirst ein Russe, Fritz.«
    »Nur äußerlich, Adelinka. Nur äußerlich. Im Herzen bleiben wir Wachters immer Preußen.«
    Schon zwei Tage später, die Kisten mit dem Bernsteinzimmer standen sicher in den Stallungen, ließ Wachter sich bei dem Haushofmeister melden.
    Es war ein Graf Wladimir Viktorowitsch Kubassow, ein völlig anderer Mensch als der Hofmarschall Fürst Netjajew, der Wachter an der Kurlandgrenze den Transport aus der Hand genommen hatte. Der Weg durch Schnee, Matsch und Schlamm von Memel bis Petersburg war mühsam gewesen, drei Pferde gingen dabei ein, vier Schlitten und zwei Fuhrwerke brachen zusammen, weil Netjajew eine Eile befahl, als ginge es um ein Wettrennen. Erschrocken sah dabei Wachter zum erstenmal, daß ein Leibeigener oder ein anderer niederer Mensch in Rußland nicht mehr galt als ein Tier. Als die Schlitten brachen oder auf besonders aufgeweichten Wegabschnitten Kufen und Räder versanken, sausten die Peitschen nicht nur über die schmerzhaft wiehernden Pferde, sondern auch über die Rücken, Schultern und Köpfe der Kutscher und Fuhrleute. Viele saßen dann blutend auf ihren Böcken, aber keiner wagte auch nur einen Ton zu sagen. Wachter ahnte, daß Netjajew den Mann zu Tode peitschen oder pfählen hätte lassen können.
    Kubassow empfing Wachter wie einen Freund … die Gunst des Zaren hob ihn hoch über alle anderen. Wie hatte einst Menschikow angefangen? Als Stallbursche. Jetzt war er Fürst, überhäuft mit anderen Titeln und einem unschätzbaren Reichtum, Generalgouverneur von Petersburg, ein so enger Freund des Zaren, daß man ihn mehr fürchtete als den Zaren selbst. Wußte man, was einmal aus diesem Deutschen werden würde? Am Hofe und im ganzen Land gab es genug Generäle, Kämmerer und Auserwählte, Architekten wie Ärzte, Astronomen wie Physiker, die aus dem Ausland gekommen waren, die meisten aus Landen mit deutscher Zunge.
    »Ja, wohin mit ihm, dem Bernsteinzimmer?« sagte Kubassow, als Wachter ihn gefragt hatte, welcher Raum dafür geeignet sei. »Wohin? Wie sagt Ihr, sind die Maße?«
    »4,75 Meter hoch, und an Wandfläche brauche ich vierzehn Meter. Es sind zwölf Wandfelder, 0,80 bis 1,50 in der Breite, genau wie die Sockelstücke. Dazu kommen zwei Türen mit Gesimsen bis zur Decke.«
    Die Zahlen schienen Kubassow schwindelig zu machen. »Weiß das der Zar?« fragte er betroffen.
    »Er hat das Zimmer in Berlin gesehen und brach in Begeisterung aus.«
    »Was soll man tun? Im ganzen Palais gibt es nicht solch einen Raum! Man müßte ihn erst bauen, Zimmer zusammenlegen, die Decken erhöhen.«
    »Das müßte man wirklich tun. Sofort. Denn der Zar wünscht …«
    Graf Kubassow ließ Wachter nicht ausreden. Wenn dieser sagte, der Zar wünsche es, dann war es ein Befehl, als käme er vom Zaren selbst. Ein kaiserlicher Haushalt besteht nicht nur aus Mobiliar in einem Palast, sondern auch aus vielen Ohren, die alles hören. So wußte Kubassow von Wachters Vollmachten, schon bevor er mit ihm gesprochen hatte.
    »Sehen wir uns an, was ich vorschlagen kann«, sagte er. »Wo soll das Bernsteinkabinett stehen?«
    »In der Nähe der Zaren-Zimmer.«
    Kubassow seufzte, erkannte die großen Probleme, die auf ihn zukamen, und führte Wachter dann durch das Palais. Zwei Räume fanden sie, von denen Wachter

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