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Das Bernsteinzimmer

Das Bernsteinzimmer

Titel: Das Bernsteinzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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es immer trug, wenn Peter und sie keine offiziellen Verpflichtungen hatten. Wie eine Arbeiterfrau sah sie aus, durch die Geburten etwas dicklich geworden, mit wachen, alles sehenden Augen.
    »Er will hier umbauen?« fragte sie Wachter. »Das Bernsteinkabinett aufstellen? Der Zar hat mir von dem Zimmer erzählt. Wie sieht es aus?«
    »Das kann man nicht erklären, das muß man sehen, Majestät. Hier versagen Worte.«
    »So schön?«
    »Es ist die Sonne, eingefangen in Tausenden goldenen Steinen.«
    »Dann baue Er das Zimmer.« Katharina nickte Wachter zu. »Über Schönheit kann Er jederzeit mit mir sprechen.«
    Am vierten Tag des Umbaues, nachdem die Wand herausgerissen war und es nun daranging, die Zwischendecken aus Holz abzunehmen und die Wände mit Holz zu verkleiden, erschien der Zar auf der Baustelle. Eine fleckige Arbeiterhose trug er, darüber ein dunkelblaues grobes Hemd, und eine Lederschürze hatte er sich umgegürtet, die ebenfalls voller Flecke war. In den großen breiten Händen trug er Hobel und Stecheisen, Feilen und eine Säge. Im Bindeband der Schürze staken drei Hämmer, eine kleine Meßlatte und ein kegelförmiger Senkel.
    »Welch eine faule Brut arbeitet hier?« schrie er mit seiner Donnerstimme. »Zeigen werd ich's euch, was ein Zimmermann kann! Geht nach Holland und lernt, ehe ihr ein Brett anpackt! Fjodor Fjodorowitsch …«
    »Hier bin ich, Majestät.« Wachter trat auf den Zaren zu.
    »Er ist der Vormann. Zeig Er mir, was ich zu tun habe!« Er warf sein Werkzeug auf den Boden und rieb sich die Hände. »Zier Er sich nicht, mir Arbeit zuzuweisen. Ich bin wieder Peter, der Zimmermann. Gott sei mein Zeuge … ist das schön!«
    Zwei Wochen arbeitete der Zar als Zimmermann am Ausbau des Bernsteinzimmers mit, jeden Tag drei Stunden. Und er verstand sein Handwerk besser als die Schreiner, die unter den besten von Petersburg ausgesucht worden waren. Zu seinem Werkzeug kam nun auch noch seine geliebte Dubina hinzu, das gefürchtete spanische Rohr mit dem selbstgeschnitzten Elfenbeinknopf. Wie oft tanzte der Knüppel auf den Rücken der anderen Schreiner herum, wenn Peter einen krummen Nagel entdeckte, ein schiefes Brett, keine senkrechten Fugen oder winkelige Zusammenfügungen, die er Gehrung nannte.
    »In Holland hätte man euch alle ersäuft wie blinde Katzen!« brüllte er herum. »Und solche Idioten wollen meine Stadt bauen? Zusammenfallen wird sie, das sehe ich schon! Ihr alle werdet am Galgen enden, auf den Pfählen, auf dem Rad, unter den Peitschen!«
    Ein schreckliches Arbeiten war es, aber sieh da … schon nach elf Tagen waren die Zimmer so umgebaut, daß sie einen einzigen Saal ergaben, genau in den Maßen, die das Bernsteinzimmer verlangte. Die großen Kisten in den Stallungen wurden geöffnet, die Tafeln, Figuren, Sockel, Gesimse, Reliefe und Bordüren vorsichtig freigelegt, und es zeigte sich, daß nichts zerbrochen war, daß der schwere Weg von Berlin nach Petersburg schadlos überwunden worden war.
    »Vorsichtig!« rief Wachter immer wieder, als das einmalige Getäfel vom Stall in das Palais getragen wurde. »Vorsichtig! Bis jetzt hat es gehalten, stellt euch nicht an wie die Dummköpfe …«
    »Meint Er mich damit?« fragte Peter I. Er trug auf seiner Schulter ganz allein ein großes Sockelstück, an dem sonst drei Mann geschleppt hätten. Seine Kräfte waren ungeheuer.
    »Majestät …« Wachter schlug die Hände zusammen. »Natürlich die anderen!«
    »Sag Er nur, wenn ich mich dumm anstelle.« Der Zar tappte weiter mit seinem Sockel. »Er bekäme die Knute, wenn Er mir nicht die Wahrheit sagt!«
    Am Abend ging Wachter erschöpft nach Hause. Aus der Küche roch es nach Sauerkohl und geräucherter Schweinehaxe. Adele saß an dem großen, gemauerten Herd, lehnte an einem Stützbalken und hatte die Augen geschlossen. Moritz, der Höllenhund, saß vor ihr und winselte leise.
    »Adjuschka, was hast du? Was ist dir?« Die vergangenen Wochen hatten genügt, soviel Russisch zu lernen, daß er nun ganze Sätze aussprechen konnte. Vor allem auf russisch fluchen hatte er gelernt, abgehört von den Handwerkern, wenn sie sich gegenseitig beschimpften. Er umfaßte Adele, streichelte sie und spürte, wie sie schlaff in seinen Armen lag.
    »Es war zuviel, Fritz …« sagte sie, fast unhörbar. »Das Meer, die Schlitten …« Sie legte die Hände auf den gewölbten Leib und starrte Wachter flehend an. »Das Kind … ich spüre es nicht mehr … es bewegt sich nicht mehr … es ist alles so still

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