Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Bernsteinzimmer

Das Bernsteinzimmer

Titel: Das Bernsteinzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
wenn es nötig ist. Und wer Ihn hindern will, dem sage Er: Der Zar hat es befohlen. Er hat immer freien Zugang.«
    Damit schien das Gespräch beendet. Aber Wachter, sich der Gunst der Stunde und des Zaren bewußt, verließ nicht das Zimmer.
    »Majestät, ist eine Frage erlaubt?« sagte er. Peter I. sah erstaunt auf ihn hinab.
    »Was will Er fragen?«
    »Wo soll das Bernsteinzimmer aufgestellt werden?«
    »Hier, in meinem Winterpalais. Es wird ein Saal dafür geräumt werden. Ich brauche die Maße, die Höhe …«
    »Und ich brauche Spezialisten, Majestät. Fachleute, die mit Bernstein umgehen können, die Beschädigungen ausbessern, die das Zusammenfügen der Wandtafeln überwachen, und dann noch Handwerker, vor allem Tischler, für die tragende Zwischenwand aus Holz.«
    »Bekommt Er alles.« Der Zar lächelte breit. »Fordere Er nur die Leute beim Haushofmeister an, wann Er sie braucht.«
    Zufrieden verließ Wachter den Zaren und kehrte in das Beamtenhaus zurück, wo die Verwaltung des Winterpalais bereits vier Zimmer angewiesen hatte. Langsam ging Wachter zu dem Gebäudeflügel zurück, in dem nun sein Leben und das Leben seiner Familie eine Heimat finden sollte. Der erste Eindruck des Winterpalais war enttäuschend. Ein zweistöckiger Holzbau war's mit zwei Flügeln für Hofstaat und Beamte. Kein Prunkbau also, der den Namen Palais verdiente, und dessen Fassade sich von den anderen Villen an der Uferstraße der südlichen Newa nur dadurch hervorhob, daß über dem Einfahrtstor die Krone der kaiserlichen Marine angebracht war. Alle Häuser in der Umgebung des Zaren an der Newa waren dagegen wirkliche Paläste … der Palast des Generaladmirals Apraxin, die Häuser von Justizminister Jaguschinskij, die Villa von Vizeadmiral Cruys … sie alle aber waren Hütten gegen den Palast, den sich Fürst Menschikow hatte bauen lassen. Nach dem Sieg von Poltawa gegen die Schweden hatte Peter seinem Günstling die größte Insel im Newa-Delta, die Wassilewskij-Insel, geschenkt, und auf ihr, am Newa-Kai, war nach den Entwürfen des deutschen Architekten Friedrich Schädel ein dreistöckiger Palast ganz aus massivem Stein entstanden, mit einem Dach aus weithin leuchtenden, rot lackierten Eisenplatten und einer so riesigen Haupthalle, daß künftig die großen Feste und Bälle von Petersburg nur mehr in ihr stattfinden konnten. Der Menschikow-Palast blieb bis zu Peters Tod das größte Privathaus der immer glänzender und schöner werdenden Stadt.
    Für Peter war dieser Prunk seiner Umgebung nur nützlich, wenn er Empfänge gab. In seinem ›Winterpalais‹ konnte er das kaum … um die Symmetrie der Uferstraße nicht zu unterbrechen, hatte er seinen Holzbau den anderen Häusern angleichen lassen, was bedeutete, daß auf allen Stockwerken große, hohe Räume entstanden waren, die den Zaren störten. Er, der Zwei-Meter-Riese, fühlte sich nur wohl in niedrigen Räumen, wie er sie in Holland bei seiner Tätigkeit als Zimmermann der Schiffswerften kennengelernt hatte. Er ließ also in allen Zimmern, die er bewohnte, eine niedrigere Zwischendecke einziehen … hier lagen in dem Hohlraum zwischen der echten und der falschen Decke oft seine Spitzel auf den Holzdielen und belauschten die Gespräche der Besucher, die in zwei Vorzimmern auf eine Audienz beim Zaren warteten. Auf diese Art erfuhr Peter I. so manche Wahrheit oder Meinung, die man vor ihm nicht auszusprechen wagte.
    Das Bernsteinzimmer in diesem Winterpalais? In einem Holzhaus? Ein Haus, das brennen konnte wie trockenes Reisig?!
    Wachter kratzte sich den Haaransatz, ging in den Beamtenbau und fand Adele damit beschäftigt, die Taschen und Kisten auszupacken. Drei Kammermädchen halfen ihr dabei, vom Haushofmeister selbst dazu abkommandiert. Die Kunde, daß der neue Deutsche hoch im Wohlwollen des Zaren stand, hatte sich in Windeseile bei den Höflingen herumgesprochen. Das Speichellecken begann, und natürlich auch der Neid.
    »Welch eine Stadt«, sagte Wachter und setzte sich auf einen Diwan im Wohnzimmer. Die Zimmer hatte man ihnen voll eingerichtet übergeben, mit schönen Möbeln, die Adele in Berlin sonst nur bei den Hofdamen gesehen hatte, bei den adeligen Damen, vor denen sie immer einen tiefen Knicks gemacht hatte. Jetzt sollte sie in diesem kleinen Luxus leben. Mit klopfendem Herzen war sie von Zimmer zu Zimmer gegangen, hatte die Möbel und die Bezüge gestreichelt, Damaste, Gobelins und Seiden, sogar gute Teppiche lagen auf den Dielen, einige Ikonen hingen an den

Weitere Kostenlose Bücher