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Das Bernsteinzimmer

Das Bernsteinzimmer

Titel: Das Bernsteinzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sieht nur die Hände, die schießen, keine Hände, die Kunstschätze retten. Vielleicht hat er recht, sicherlich hat er recht. Den deutschen Angriff müssen wir zum Stehen bringen.«
    »Genauso sprach Väterchen Michail.« Jana Petrowna hatte die Schwäche überwunden, sie atmete wieder gleichmäßiger und sah hinüber zu Sinowjew. »Und da hatten wir einen Plan. Wenn die Deutschen Väterchen umbrachten, würde niemand mehr da sein, der das Bernsteinzimmer bewachte. Der immer in seiner Nähe war, der es auf allen Wegen begleitete, der die deutschen Räuber nicht aus den Augen ließ. Nur ich könnte das … als deutsche Krankenschwester. Wer kontrolliert eine Krankenschwester? Überallhin könnte ich kommen, ohne aufzufallen. Das war der Plan: Überrollen lasse ich mich von den deutschen Truppen, gut versteckt in einer Erdhöhle, und wenn sie weitergezogen sind, melde ich mich als versprengte Schwester in Puschkin. Zurückgekehrt zu unserem Bernsteinzimmer bin ich, und nie mehr aus den Augen werde ich es lassen. Ist das nicht ein guter Plan, Genosse General?«
    Sie holte wieder tief Atem und sah zu, wie die Ordonnanz ein Tablett mit Wodka, Tee und Plätzchen hereinbrachte und Kowaljow damit einen runden Tisch in der gegenüberliegenden Ecke deckte.
    »Irgendwie bekam Väterchen die Rote-Kreuz-Uniform und einen deutschen Militärmantel – erobert bei einem Vorstoß bei Luga, erklärte er. Und dann fuhren wir in den Wald, gruben die Höhle aus, und ich blieb in der Höhle und wartete. ›Nur noch vier Tage, Janaschka‹, sagte Väterchen zu mir, ›vielleicht noch kürzer. Gott segne dich, mein Töchterchen. Wenn wir uns nicht wiedersehen und Nikolaj den Krieg überlebt, sei ihm eine gute Frau. Und laß nie das Bernsteinzimmer aus den Augen, wohin man es auch bringt. Eine Krankenschwester kommt überall hin.‹ So war es, und dann entdeckt mich der Rotarmist Solotwin, bringt mich zu Unterleutnant Wechajew. Und er will mich erschießen als Spionin.« Jana Petrowna blickte hungrig auf den gedeckten Tisch. Der Tee duftete, das Gebäck roch nach Zimt und Honig. Ihr lief das Wasser im Mund zusammen. »Glauben Sie mir, Genosse General?«
    »Ich glaube Ihnen, Jana.« Sinowjews Stimme war gütig und beruhigend. »Essen und trinken Sie erst einmal, und dann erzählen Sie mir, wie das mit der Familie Wachter oder Wachterowskij ist.«
    Es wurde ein langer Tag und eine lange Nacht. Am nächsten Morgen setzte sich der Divisionsstab ab, das Schlößchen lag verlassen im Park, die Kolonnen rollten eilig nach Leningrad.
    Mit einem Fahrrad kehrte Jana Petrowna in den Wald zurück und verkroch sich wieder in ihrer Erdhöhle.
    Die deutschen Truppen waren nur noch neun Kilometer von ihr entfernt.
    Die Sondereinheit von Unterleutnant Lew Semjonowitsch Wechajew, die letzte Hoffnung von General Sinowjew, wenigstens die wichtigsten Teile wie die Wandtafeln des Bernsteinzimmers zu retten, kam, wie vorauszusehen war, zu spät nach Puschkin. Genauer gesagt: Der Unterleutnant erreichte Puschkin gar nicht. Die acht Lastwagen mit dem Sowjetstern fuhren fröhlich und unbekümmert in den Aufmarschraum der Deutschen hinein und direkt in die Arme der 1. Panzerdivision. Sie stand vor dem Stadtrand von Puschkin. Flugzeuge bombten ihr den Weg frei, trafen auch den Katharinen-Palast und trafen den Großen Saal. Von dem herrlichen, prunkvollen Saal, einem der wunderbarsten Werke des Hofarchitekten Rastrelli, war nichts mehr übrig. Auch eine Anzahl Nebenräume wurde schwer beschädigt … das Bernsteinzimmer, geschützt durch die von den Frauen vorgesetzten hölzernen Splitterwände, blieb erhalten.
    Wechajew dachte weder an Gegenwehr noch an Flucht, als er die ersten deutschen Panzer sah, die ihm auf der Straße entgegenkamen. Nachdem er sich entschlossen hatte, den Wagen mit dem Achsenbruch liegen zu lassen und die Spionin mit dem Wagen von Solotwin zum General zu schicken, hatte er im tiefsten Inneren schon geahnt, daß dieser Einsatz der letzte für ihn in diesem Krieg sein konnte. Nur eines wünschte er sich heiß und innig: Nie in die Hände der SS fallen. Was man von ihr erzählte, ließ einem eisige Schauer über den Rücken laufen.
    Nun war es geschehen: aber wenigstens deutsche Panzer, keine SS … Wechajew ließ seine Kolonne halten, stieg aus dem ersten Wagen, die anderen Rotarmisten machten es ihm nach, schließlich war er ja der Kommandant und damit das Vorbild, und als er die Arme hob, taten sie es auch und standen neben ihren Wagen. Ihre

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