Das Bernsteinzimmer
muß mit ihnen weiterfahren.«
»Ein Jammer! Wirklich ein Jammer! Wir hätten dich in der nächsten Stunde so gerne aufgehängt.«
»Was sagt er?« fragte der junge Leutnant mißtrauisch.
»Er wird dem Befehl gehorchen, Herr Offizier.« Piwojanow wünschte sich plötzlich, möglichst schnell wieder auf den sicheren Panzer zu kommen. »Er wird mit seiner Mannschaft zu Ihrer Infanterie marschieren.«
»Sehr gut.« Der junge Offizier winkte. Drei seiner Panzerschützen kamen nach vorn, im Arm eine Anzahl Handgranaten. Mit steinernem Gesicht sah Wechajew, wie sie die Motorhauben der Lastwagen hochdrückten, dann den Deckel schnell zuwarfen und zur Seite sprangen. Mit einem dumpfen Gedröhn explodierten die Handgranaten. Es riß die Hauben wieder auf, Motorteile wirbelten durch die Luft, die Wagen vier, sechs und sieben fingen sofort Feuer und standen sekundenschnell in hellen Flammen. Wechajews Leute warfen sich sofort zu Boden und rollten sich von der Straße. Mit ohrenbetäubendem Krachen zerplatzte der Wagen sieben, eine unerträgliche Hitze wehte von den brennenden Wagen zu Wechajew hin.
Der Leutnant winkte von neuem. »Aufsitzen!« schrie er seinen Männern zu. Piwojanow senkte den Kopf und starrte Wechajew von unten an.
»Auch ich bin ein Kriegsgefangener«, sagte er, wie um Entschuldigung bittend. »Machen mit mir, was sie wollen. Soll ich mich erschießen lassen? Eine gute Frau habe ich, neun Kinderchen, drei Söhnchen sind in Leningrad, um es zu verteidigen. Was soll ich tun? Bin ein armer Mensch, Genosse. Du wirst's besser haben, bestimmt wirst du's besser haben. Kommst in ein Lager, hast zu essen, hast Ruhe. Direkt beneiden kann man dich.«
»Zur Hölle fahre!« sagte Wechajew dumpf und verzog verächtlich den Mund. »Bist nicht wert, daß jemand vor dir ausspuckt. Nicht mal anpissen möchte ich dich … ist gute, reine sowjetische Pisse, viel zu schade für dich.«
Er trat von der Straße weg zur Seite, sah finster zu, wie die deutschen Panzersoldaten wieder in ihre stählernen Ungeheuer kletterten, die Luken schlossen und Piwojanow nach hinten zum letzten Gefährt lief, wo er seinen Platz neben der Kanone hatte. Dann donnerten die schweren Motoren auf, die Panzer fuhren an, walzten auf die zerstörten Lastwagen zu, schoben sie von der Straße, stürzten sie um und zermalmten die Aufbauten. Als der letzte Panzer mit dem darauf hockenden Piwojanow an Wechajew vorbeiratterte, starrten sie sich noch einmal haßerfüllt an, und Piwojanow hätte weinen können über so viel Schande. Aber er durfte weiterleben mit der Hoffnung, einmal seine neun Kinder wiederzusehen, vor allem seine drei Söhnchen, die in den Gräben und Bunkern vor Leningrad auf die Deutschen warteten und die Stadt Leningrad nicht hergeben wollten.
Wechajew versammelte seine Truppe wieder um sich. Die deutschen Panzer waren im Wald verschwunden, nur noch das Rasseln der stählernen Raupenketten lag in der Luft. Die Lastwagen lagen brennend links und rechts der Straße, ein Bild, das Wechajews Herz bluten ließ.
»Genossen«, sagte er mit ernster, aber dumpfer Stimme. »Gehört habt ihr's. Deutsche Infanterie folgt den Panzern, in einer Stunde können sie hier sein. Zeit genug, um uns zu entscheiden. Wer will, kann weglaufen und sich verstecken. Unser Auftrag ist vorbei. Jeder kann tun, was er will.«
»Ein guter Gedanke ist's wegzulaufen.« Der Sergeant Jemeljan Mironowitsch Sotow rieb sich mit beiden Händen unschlüssig die Stirn. »Aber bekommen sie uns dann, wird man uns erschießen. Als Partisanen. Ganz sicher ist das. Lew Semjonowitsch, was wirst du tun?«
Wechajew hatte sich bereits entschieden. »Ich bleibe auf der Straße und gehe den Faschisten entgegen«, antwortete er. »Ein lebender Russe, wenn auch in Gefangenschaft, ist wichtiger als ein toter Held. Einmal wird die Zeit kommen, Rache zu nehmen. Darauf warte ich.«
»Also denn, liebe Freunde, denken wir auch so.« Sergeant Sotow schlug die Fäuste gegeneinander. »So ist es: Leben ist wichtiger als ein verfaulender, durchlöcherter Körper zu sein. Irgendwann vielleicht sehen wir Piwojanow wieder und holen nach, was er verdient hat. Wohnt ja hier in dieser Gegend. Ist leicht zu finden, das verräterische Väterchen mit seinen neun Kinderchen. Wird die Rechnung bezahlen müssen. Gehen wir also.«
Mit Wechajew an der Spitze marschierten sie los, mitten auf der Straße, nachdem sie ihre Waffen weggeworfen hatten und somit kein kämpfender Feind mehr waren. Knapp
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