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Das Bernsteinzimmer

Das Bernsteinzimmer

Titel: Das Bernsteinzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Zimmer. Er war der einzige Generalstabschef des Heeres, der es bisher gewagt hatte, Hitler die Wahrheit zu sagen.
    Der Wehrmachtsbericht an diesem 10. Januar 1945 lautete lapidar:
    »Von der übrigen Ostfront werden keine Kämpfe von Bedeutung gemeldet.«
    So war die Lage, als Jana Petrowna an ihrem freien Abend das Städtische Krankenhaus verließ, um Michael Wachter zu besuchen. Zu Oberschwester Wilhelmi sagte sie, daß sie sich noch einmal den neuen Veit-Harlan-Film Kolberg anschauen wollte mit dem unvergleichlichen Horst Caspar als Gneisenau und dem Schauspielerheros Heinrich George.
    Wachter wohnte jetzt in einem Kellergewölbe des langgestreckten Nordflügels des Königsberger Schlosses neben den Kellern der Schloßgaststätte ›Blutgericht‹, ein in ganz Europa berühmtes Lokal, das der Weingroßhändler David Schindelmeißer gepachtet und umgebaut hatte. Früher waren die Keller Gefängnis, Gericht, Folterkammer und Hinrichtungsstätte der Ordensritter gewesen, woran der Name ›Blutgericht‹ erinnerte. Unter Schindelmeißers Hand wurden sie zur bevorzugten Gaststätte des ostpreußischen Landadels, die Junker hatten hier ihre Stammzimmer, und aus allen Ländern kamen die Reisenden herbei, um mit einem leisen Grauen im Nacken in Gewölben zu essen und zu trinken, wo einst die Gefolterten schrien, während ihnen auf den Streckbänken die Glieder ausgerissen wurden. Auch Gauleiter Koch saß gern im ›Blutgericht‹, trank einen schweren Rotwein und gab seine bombastischen Sätze von sich.
    Das Schloß von Königsberg … es gab es nicht mehr.
    Es begann damit, daß im Frühjahr 1944 in der zweiten Etage ein Brand ausbrach. Dort hatte Koch zusammen mit dem Generalfeldmarschall von Küchler eine Ausstellung eröffnet, die eine einzige antisowjetische Hetze war. Das Bild des slawischen ›Untermenschen‹ sollte sich so in den Köpfen der Deutschen festsetzen. Aber obwohl das Schloß Tag und Nacht von Soldaten bewacht wurde und es sogar eine Brandwache gab, die innerhalb des Schlosses alle Räume kontrollierte, gelang es unbekannten Nazi-Gegnern, diese Ausstellung kurz nach ihrer Eröffnung in Flammen aufgehen zu lassen.
    Koch tobte, sorgte dafür, daß die Wehrmachtswache sofort an die Front verlegt wurde, und rief dann Museumsdirektor Dr. Findling, Michael Wachter und den Stadtkommandanten zu sich.
    »Es ist eine Sauerei!« schrie Koch. »Unter meinen Augen, im bewachten Schloß, tummeln sich Terroristen! Aber das schwöre ich jetzt: Es werden andere Saiten aufgezogen! Hier wird nach meiner Melodie getanzt werden!«
    Nach einer Stunde Beschimpfung verließ der Stadtkommandant bedrückt das Amtszimmer des Gauleiters. Zurück blieben Dr. Findling und Wachter; sie warteten, bis Koch seinen wildesten Zorn mit einem tiefen Schluck Kognak gemäßigt hatte.
    Das Feuer, im zweiten Stock gelegt, hatte die darüber liegende Gemäldesammlung und das Bernsteinzimmer nicht gefährdet. Als Koch es sofort nach der Löschung des Brandes mit Findling und Wachter besichtigte, lag nur ein weißer Belag über den Wandtafeln. Wachter, der zur Zeit des Feuers wie immer im Bernsteinzimmer gesessen hatte, hustete noch von dem Qualm, der in das Zimmer gedrungen war.
    »Man kann es leicht abwischen, Gauleiter«, sagte er und rieb mit dem Ärmel über die Mosaike. »Niederschlag des Rauches ist es. Welch ein Glück haben wir gehabt.«
    »So ist es.« Dr. Findling hatte Gauleiter Koch schon auf dem Weg zur dritten Etage beruhigt, aber jetzt erst atmete Koch sichtbar auf. »Aber man soll sich nie auf das Glück verlassen. Ich weiß nicht, wer es gesagt hat, aber der Mann hatte recht: Das Glück ist eine Hure!«
    »Das könnte von mir sein!« Koch lachte kurz auf. »Was wollen Sie damit andeuten, Dr. Findling?«
    »Deutschland befindet sich nach einem Angriffskrieg im Abwehrkampf …«
    »Findling, hoffen Sie nicht darauf, daß meine Ohren Ihnen gegenüber immer taub bleiben.« Koch sah Dr. Findling freundlich, aber tadelnd an. »In einem Krieg geht es hin und her … bis zum Endsieg! Denken Sie an Friedrich den Großen. Nach der Niederlage bei Kunersdorf gab keiner mehr einen Heller für ihn, Preußen schien am Ende. Und was kam dann? Leuthen! Und Preußen strahlte heller denn je! Warum? Weil Friedrich nie aufgab! Und so ist auch der Führer … er gibt nicht auf, Rückschläge machen ihn nur stärker, und eines Tages haben wir unser Leuthen: den Endsieg!«
    »Immerhin wäre es möglich, Gauleiter, daß sich die Luftangriffe auf den

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