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Das Bernsteinzimmer

Das Bernsteinzimmer

Titel: Das Bernsteinzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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mit drei Stoßrichtungen auf Ostpreußen, Weichsel, Ukraine. Also die gesamte Front unserer Heeresgruppen Mitte und A. Die russische Überlegenheit beträgt bei der Infanterie das elffache unserer Truppen, das siebenfache bei den Panzern, das zwanzigfache bei der Artillerie …« Guderian machte eine winzige Pause, weil es ihm guttat, diesen Satz zu sagen … »und die Überlegenheit der sowjetischen Luftwaffe zweifelt niemand mehr an!« Das war ein Fußtritt gegen Reichsmarschall Göring, aber Göring war bei dieser Besprechung nicht zugegen. »In Zahlen, mein Führer, sieht die Lage folgendermaßen aus: An der 1.200 Kilometer langen Ostfront von der Ostsee bis zum Plattensee in Ungarn haben wir zur Verfügung: 145 Divisionen, Kampfgruppen und Brigaden, hinzu kommen 16 schnelle Verbände, 12 Panzerdivisionen mit 318 Panzern, 616 Sturmgeschützen und 793 Pak. Im Gebiet der Heeresgruppe A meldet Generaloberst Harpe, daß er seinen Frontabschnitt von 700 Kilometern nur mit 137 Infanteristen pro Kilometer halten muß. Die Rote Armee kann pro Frontkilometer aber rund 1.500 Infanteristen einsetzen. Die Reserve von Generaloberst Harpe besteht nur aus vier Panzerdivisionen, einer Panzergrenadierdivision und einer gepanzerten Kampfgruppe in Brigadestärke. Sie ist der Rest der aufgeriebenen 10. Panzerdivision.«
    Von Guderian schwieg und sah Hitler an. Das Gesicht des Führers war regungslos, starr, maskenhaft. Auf beide Hände gestützt, starrte er auf die Karte vor sich, als habe er nichts gehört, als sei er mit seinen Gedanken gar nicht mehr im Raum. Er blieb stumm und unbeweglich. Von Guderian setzte zum letzten Schlag an.
    »Mein Führer, die Abwehr kann verbindlich mitteilen: Unseren schwachen Verbänden stehen auf seiten der sowjetischen Westfront gegenüber : 55 einsatzbereite Armeen, sechs Panzerarmeen, 35 Panzer- und mechanisierte Korps, zusammen 6.289.000 Soldaten! Sechs Millionen, mein Führer! Diesen sowjetischen Verbänden stehen zur Verfügung: 115.100 Geschütze, 15.100 Panzer und Selbstfahrlafetten, 158.150 Kraftfahrzeuge. Die Zahl der Raketenwerfer ›Katjuscha‹, von uns ›Stalinorgeln‹ genannt, ist dabei nicht erfaßt …«
    Der Name Stalin schien Hitler aus seiner Starrheit aufzureißen. Sein Kopf zuckte nach hinten, die Hände schnellten zur Brust empor und ballten sich. »Zahlen!« brüllte er. »Zahlen! Nichts als Zahlen. Der deutsche Soldat ist zehnmal mehr wert als ein Russe! Wir haben unsere ›Tiger‹, ›Panther‹ und ›Königstiger‹, wir haben das neue Sturmgewehr 44, das beste Maschinengewehr der Welt – das MG 42 –, wir haben unsere Sturmgeschütze und wir haben den Heldenmut des deutschen Soldaten, der weiß, daß er sein Vaterland verteidigen muß, seine Frauen und Kinder, Mütter und Väter und die Zukunft des Reiches! Was sind dagegen Zahlen?! Wo haben Sie diese Zahlen überhaupt her, Guderian?!«
    »Von der ›Abteilung Fremde Heere Ost‹ der Abwehr, mein Führer. Die Zusammenstellung hat General Gehlen besorgt!«
    »Gehlen! Gehlen! Immer dieser Schwarzseher! Dieser Jongleur mit Utopien! Ich will Ihnen sagen, was ich von diesen Zahlen halte: Das ist der größte Bluff seit Dschingis-Khan! Wie kann man einen solchen Blödsinn ausgraben? Ihn für wahr nehmen?! Und Gehlen fällt darauf herein! Ich nicht, Guderian, ich nicht! Aber sprechen Sie es aus: Was folgern Sie daraus?!«
    »Die Räumung Kurlands und die Öffnung des Kessels um die Heeresgruppe Nord, Schaffung von Abwehrschwerpunkten im Raume Litzmannstadt und Hohensalza , Verstärkung der Ostfront von Ostpreußen bis zur Ukraine durch Verlegung von Verbänden aus Norwegen und der Westfront und Zurücknahme des Frontbogens zwischen Radom und Kielce. Eine sowjetische Großoffensive zielt auf eine Zangenbewegung ab, die ganz Ostpreußen, Polen und Pommern einkreisen soll.«
    »Sagt Gehlen?!« schrie Hitler.
    »Sagt uns die Lage, mein Führer.«
    »Nein! Nein! Nein!« Hitler stampfte mit den Stiefeln auf, ein wildes Zucken lief über sein Gesicht, ein erschreckender Anblick, aber die Generäle hatten sich schon daran gewöhnt. Nur Keitel sah von Guderian böse an. »Sie alle erkennen nicht die Wahrheit! Die Ostfront steht! Im Westen brauchen wir einen Riegel! Im Westen! Nicht ein Soldat wird aus der Westfront abgezogen! Bin ich denn der einzige, der die Lage richtig überblickt?!«
    »Wie Sie befehlen, mein Führer.« Von Guderian packte seine Unterlagen in die Ledermappe, grüßte mit dem Hitler-Gruß und verließ das

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