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Das Bernsteinzimmer

Das Bernsteinzimmer

Titel: Das Bernsteinzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Admiräle, Forscher, Philosophen, Ärzte und politische Berater waren Deutsche … so wie meine Vorfahren. Mit dem Bernsteinzimmer zog 1716 einer meiner Ahnen, Friedrich Theodor Wachter, nach Sankt Petersburg. Seitdem ist immer ein Wachter bei dem Bernsteinzimmer geblieben, hat es gepflegt und beschützt und neben dieser Aufgabe nur eine zweite gehabt: einen Sohn zu zeugen. So wurde das Erbe weitergereicht von Generation zu Generation.«
    »Und nun glauben Sie, Michail Igorowitsch, daß das Bernsteinzimmer und Sie überleben. Eine Illusion ist das! Sie sind der letzte Wachterowskij.«
    »Nein, Nikolaj Michajlowitsch. Einen Sohn habe ich.« Wachter sagte es mit Stolz. Die Tradition war nie unterbrochen worden, einen Sohn zu haben, war eine Verpflichtung. »In Leningrad ist er jetzt, wird mithelfen, die Stadt zu verteidigen, bewacht die Kunstschätze, die wir noch abtransportieren konnten. Ich bin stolz auf ihn. Auch wenn sie mich erschießen, es ist immer wieder ein Wachter da, der mit dem Bernsteinzimmer leben wird.«
    Oberst Limonow hob den Kopf. Aus der Ferne hörten sie den Kanonendonner. Ihm war, als spürte er die Einschläge unter seinen Sohlen, als laufe ein leichtes Zittern durch den Boden.
    »Morgen sind die Deutschen hier im Schloß.« Limonow schluckte den Ärger über sich selbst hinunter. Natürlich zitterte der Boden des Schlosses nicht, auch wenn er es spürte. Die Nerven! Auch ein Brigadekommandeur hat Nerven, nur hysterisch darf er nicht werden. »Was werden Sie tun, Michail Igorowitsch?«
    »Ich werde mich beim Kommandeur der deutschen Truppen melden. Sicher bin ich mir, daß er hier im Schloß wohnen wird. Es gibt keinen schöneren Platz in Puschkin. Und bitten, ja anflehen werde ich ihn, das Bernsteinzimmer vor Vandalismus zu beschützen.«
    »Vandalismus? Das wollen Sie tatsächlich sagen? Wachterowskij, zusammenschlagen wird man Sie, bis Sie nur noch stammeln können: ›Ein deutscher Soldat ist kein Vandale.‹ Sie waren nie in der Armee?«
    »Nein, nie. Immer hatten wir Wachters eine Sonderstellung. Wer sollte sich denn um das Bernsteinzimmer kümmern? Wir hatten ein verbrieftes Recht, es nie zu verlassen, handgeschrieben und gesiegelt von Zar Peter I. Es hängt unter Glas in meinem Wohnzimmer, und jeder Herrscher über Rußland hat es anerkannt … sogar Lenin und Stalin. Nein, ich war nie Soldat, keiner von uns Wachter. Wir lebten nur für das Bernsteinzimmer.«
    »Eine interessante Geschichte der Familie Wachterowskij. Erzählen Sie weiter, Michail Igorowitsch.«
    »Dazu ist jetzt zu wenig Zeit. Ich muß das Bernsteinzimmer retten. Später, Genosse Oberst.«
    »Sie glauben an ein Später?«
    »Könnten wir ohne diesen Glauben leben?« Michael Wachter zuckte zusammen. Irgendwo, bedrohlich nah, krachten Explosionen und ließen die Scheiben des Saales klirren. »Sie werden sich nach Leningrad zurückziehen, Genosse Oberst?«
    »Ja.« Limonow starrte mit versteinertem Gesicht vor sich hin. Noch in der Nacht würde der Stab seiner Brigade sich absetzen und den Katharinen-Palast verlassen müssen.
    »In die Stadt?« fragte Wachter.
    »Ich werde sicherlich zu Besprechungen mit General Sinowjew und Marschall Schukow in die Stadt kommen.«
    »Wenn Sie Zeit finden, könnten Sie meinen Sohn Nikolaj besuchen? In der Eremitage wird er sein. Bei den geretteten Kunstschätzen des Schlosses. Wenn Sie ihn sehen, sagen Sie ihm bitte, daß ich stolz auf ihn bin. Sehr stolz. Nachricht werde ich ihm geben, wo ich auch bin, und wo ich bin, ist auch das Bernsteinzimmer. Wie der Krieg auch ausgeht, wir werden uns wiedersehen. Bitte, sagen Sie es ihm.«
    »Ich werde daran denken, Michail Igorowitsch. Leben Sie wohl.« Limonow drückte Wachter die Hand, hielt sie lange fest und sagte dann fast feierlich: »Was werden Sie tun, wenn die Deutschen das Bernsteinzimmer zerstören?«
    »Nicht überleben werde ich es. Seit 225 Jahren gehören das Bernsteinzimmer und die Wachters zusammen. Man kann sie nicht mehr trennen –«
    Während der Nacht verließen die letzten sowjetischen Truppen den Katharinen-Palast. Wachter stand unter dem Säulenvorbau mit den überlebensgroßen Marmorstatuen an der breiten Treppe zu den Gärten und blickte den wegfahrenden Wagen nach. Eine helle Nacht war's, feucht und klar, voll reiner Luft, durchsetzt vom Duft der Tausenden von Blumen aus den Gärten und dem würzigen Geruch der Bäume. Und still war es, nachdem der Motorenlärm verklungen war, ganz still, als hole die Natur noch einmal

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